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Die Schlossinsel

Überblick

Man sieht es der malerischen Schloßinsel mit ihren hohen alten Bäumen und eindrucksvollen Gebäuden an: Sie gehört – neben der Kirche, deren Vorgängerin 1140 als Mittelpunkt eines Kirchspiels erwähnt wird und wahrscheinlich sehr viel älter ist – zu den wirklich historischen Orten im heutigen Stadtgebiet von Barmstedt. Sie wurde als mittelalterliche Befestigung wahrscheinlich schon von den Rittern von Barmstede als Wasserburg in der Krückau angelegt. Der Rantzauer See, in dem die Insel heute liegt, wurde zwar erst in den 1930er Jahren angelegt, die viele Jahrhunderte lang regelmäßig künstlich herbeigeführten Überschwemmungen der Au als Staubecken des Wassermüllers entsprachen aber in gewissem Maße dem Bild, das sich heute ergibt. Bis ins 19. Jahrhundert hinein bestand der heutige Inselkomplex allerdings aus mehreren Inseln, die durch Brücken miteinander verbunden waren. Die Rantzauer Wassermühle, deren Räder sich immer noch drehen, gehört zu den ältesten Mühlen in Schleswig-Holstein.

Die Burg gelangte 1322 durch Kauf in den Besitz der Schauenburger Grafen und wurde Verwaltungssitz des Amtes Barmstedt, einem Gebiet, das dem nördlichen Gebiet des heutigen Kreises Pinneberg entsprach und damals den nördlichen Bereich der Grafschaft Holstein-Pinneberg umfasste. Es bestand aus den beiden Kirchspielen Barmstedt und Elmshorn.

Nach dem Aussterben der Schauenburger 1640 kam es kurzzeitig unter Gottorfer Herrschaft, bevor es im Jahre 1650 zur Reichsgrafschaft Rantzau wurde, einem Miniaturfürstentum des Heiligen Römischen Reichs. Auf den Krückauinseln entstand daraufhin ein Schloss als Residenz des hauptsächlich auf der Breitenburg oder auf Drage lebenden Grafen Rantzau. Schon nach drei Generationen endete die Existenz dieser freien Reichsgrafschaft und das Schloss und die Grafschaft fielen 1721 unter die Herrschaft des dänischen Königs, der auf dem Schloss Rantzau jetzt adlige Administratoren als Verwalter der ehemaligen Grafschaft einsetzte. Das alte Schloss wurde 1806 abgerissen und durch ein klassizistisches Herrenhaus ersetzt.

1863 kam die Administratur Rantzau nach dem Einmarsch preußischer Truppen unter Zwangsverwaltung des Deutschen Bundes und wurde nach 1866 Teil des neu gebildeten Kreises Pinneberg in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein. Die Schloßinsel wurde zum Sitz eines Amtsgerichts, das bis 1975 existierte, während des Zweiten Weltkrieges kurzzeitig aufgehoben und zum Marinegericht geworden war.

Heute: In das ehemalige Amtsgericht zog das Museum der Grafschaft Rantzau ein. Nach Restaurierung der alten Gebäudesubstanz aus dem 19. Jahrhundert ging die Schloßinsel 1984 in das Eigentum der Stadt Barmstedt über. Das Schloßgefängnis ist inzwischen zu einem beliebten Ausflugscafé mit Ausstellungsräumen geworden, im Gerichtsschreiberhaus betreibt die Malerin und Bildhauerin Karin Weißenbacher ihr offenes Atelier unter dem Namen Galerie III und veranstaltet hier internationale Kunstausstellungen. Die Remise ist zu einer künstlerischen Töpferwerkstatt geworden, in der die Kunsthandwerkerin Andrea Marjanowic individuelle Keramik herstellt und anbietet. Das sogenannte Schloss, ein klassizistischer Bau von 1806, wird privat bewohnt.

Entstehung der Burganlage – Rittersitz

Mögliche mittelalterliche Turmhügelburg auf den Krückauinseln mit Wassermühle, (Zeichnung: Michael Theilig)

Möglicherweise in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurde an der Stelle der heutigen Schloßinsel in der Krückau eine Wasserburg angelegt. Da bisher noch keine systematischen archäologischen Untersuchungen stattgefunden haben, orientiert sich die nebenstehende Rekonstruktion an den ältesten verlässlichen Grundrissen der Schloßinsel des ersten Landeskonservators von Schleswig-Holstein, Richard Haupt, (s. u.) und an den Modellen anderer rekonstruierter Turmhügelburgen, z. B. Lütjenburg in Ostholstein. Die heutige Lage ist einerseits durch die Zuschüttungen zwischen den Inseln aus dem 19. Jahrhundert und andererseits durch die Anlage des Rantzauer Sees ab 1934 stark verändert. Die Rekonstruktion zeigt zwei von Wasser umflossene Inseln, um die herum ein Wall aufgeschüttet ist, der wiederum vom Wasser der Krückau umflossen ist. Der ringförmige Wall ist über eine Zugbrücke vom Land aus zu erreichen und mit der ersten der beiden Inseln verbunden, diese wiederum mit der eigentlichen Burginsel. Hier befindet sich ein hölzerner Turm, der die letzte Verteidigungsanlage darstellt. Auch bei Langeln und Uetersen werden für diese Zeit Burgbauten vermutet. Es gibt jedoch keine Quellen zur Entstehung der Anlagen, nur archäologische Befunde. Unklar ist bis heute, ob die Inseln und der Mühlenstau künstlich angelegt wurden oder natürlichen Ursprungs sind. Die hier vorliegende natürliche Barre in der von der Krückau durchflossenen Geestlandschaft ließ sich jedenfalls leicht für eine Verteidigungsanlage nutzen, indem durch ihre Erhöhung eine Überschwemmung der Landschaft um die Inseln herum erreicht werden konnte. Ob die Inseln durch Aushebung des Burgrabens erst aufgeschüttet wurden oder natürliche Gegebenheiten darstellten, kann derzeit nicht beantwortet werden. Weiteres zu den Krückauinseln.

Die älteste Quelle, die eine curtis, also einen befestigten Wirtschaftshof, Gutshof, Fronhof oder auch Gerichtshof, in Barmstedt erwähnt, ist die Schenkungsurkunde des Bremer Erzbischofs Adalbero (Adalbert II.), in der das Hamburger Domkapitel die Rechte an verschiedenen Gütern in Stormarn, Holstein und Dithmarschen zugesprochen wird. Hier wurde u.a. „der Hof (curtis) in Eppenthorp, der Hof in Reinlage (Rellingen) und der Hof in Barmitste mit allem Zubehör, Äckern, Handdiensten, Wiesen, Grundbesitzen, Wäldern, Weiden, Gewässern, Mühlen, den Zehnten und allen übrigen Nutzungen, die zu den Steuern ihrer Präbenden gehören … und den ganzen Zehnten von jeder der beiden Parochien (Kirchspiele), nämlich von Ethelingstede, Barmetstede übereignet.“ Urkunde des Adalbero Barmstedt wird hier mit den Begrifflichkeiten curtis (Hof) und parochie (Kirchspiel, niederdeutsch: Kerspel) erwähnt. Es handelt sich also um einen großen Hof mit einer Siedlung und einer Kirche als Mittelpunkt eines – damals – sehr großen Kirchspiels. Der Standort dieser Kirche lässt sich zweifelsfrei klären, da die Grundmauern innerhalb der heutigen Heiligen-Geist-Kirche bei Ausgrabungen im Jahre 1968 gefunden wurden.

Rekonstruierte Turmhügelburg Lütjenburg als archäologisches Experiment

Ob allerdings der Hof sich in der Nähe des Kirchdorfs oder – was näher liegt – bei der wahrscheinlich auf den Krückauinseln gelegenen – in den Quellen aus dieser Zeit aber nicht erwähnten – Burg gelegen hat, ist nicht klar. Man kann aber sicherlich davon ausgehen, dass mit den erwähnten Mühlen die Wassermühle am heutigen Standort bei den Krückauinseln und möglicherweise die in Elmshorn gemeint sind.

Fast gleichzeitig mit der Erwähnung des Hofes und des Dorfes Barmstedt treten zum ersten Mal die Ritter mit gleichem Namen auf, allerdings nicht im Zusammenhang mit Hof oder Kirchspiel, sondern als Zeugen in Urkunden, zum ersten Mal in der Person des Heinricus advocatus de Barmizstide im Jahr 1149. Als Vasall des Schauenburger Grafen Adolfs II. wird dieser Heinrich I. von Barmstede in einer Urkunde des sächsischen Herzogs Heinrich der Löwe als Zeuge aufgeführt. Nach Neuschäffer war er zu dieser Zeit gräflich Schauenburger Vogt des Ortes und des Kirchspiels Barmstedt (Neuschäffer, S. 2) oder nach anderen Autoren des Domkapitels Hamburg. Die Herkunft der Familie – und damit auch des Namens – ist unbekannt. Ob also die Ritter den Namen mitbrachten und der Ort nach ihnen benannt wurde oder andersherum, die Ritter ihren Namen vom Ort Barmstede ableiteten, bleibt unklar. Sie gehörten aber mit wenigen anderen ritterschaftlichen Familien in der Mitte des 12. Jahrhunderts zum alteingesessenen Landadel (Domini, Nobiles, Edelfreie) mit großem Grundbesitz in Stormarn (Barmstedt, Elmeshorn, Uetersen) und in Dithmarschen und waren Gefolgsleute und Ratgeber der Schauenburger Grafen. Da sie auch bei der Aufstellung des Heerbannes mitgewirkt haben, wird Heinrich mit seinen Knappen am Wendenkreuzzug von 1147 teilgenommen haben. Sie waren teils verschwägert mit den Overboden, also der führenden Familie des sächsischen Adels im Gau Stormarn, die Vorsitzende der Gaugerichte und Heerführer waren. Gleichzeitig waren sie Advocati im Dienst des Erzbistums Bremen und verwalteten für ihr Gebiet deren Grundbesitz – also u. a. die „curtis in Barmitste“ – und die Einkünfte – u. a. den Zehnten des Barmstedter Kirchspiels – für das Domkapitel in Hamburg.

Die Barmstedes waren mächtige Grundherren und prägten ebenso die Gegend wie die Grafen von Schauenburg, die Erzbischöfe von Bremen und das Domkapitel von Hamburg. Sie haben möglicherweise die Burg auf der heutigen Schlossinsel angelegt und mindestens eine weitere beim heutigen Uetersen. Jedoch gibt es bisher keine zeitgenössischen Quellen zur mittelalterlichen Burganlage. Für die Barmstedes wird urkundlich nur der Sitz in Uetersen zur Zeit von deren Klostergründung dort erwähnt. Das Haus in Barmstedt auf den Krückauinseln wird zum ersten Mal 1652 in der „Neuen Landesbeschreibung der zwei Herzogtümer Schleswig und Holstein“ von Caspar Dankwerth erwähnt. „Dieser Hoff oder das Gebäw so annitzo stehet ist Anno 1270 von Graff Otto zu Schawenburg … erbaut worden.“ Nach Meinung des Landeskonservators Richard Haupt (Bau- und Kunstdenkmäler 1888) entstand es in dem Zustand von 1650 aber erst im 16. Jahrhundert. Über die erste Bebauung gibt es also nur Mutmaßungen.

Der Stammsitz der Barmstedes ist also nicht dokumentiert. Es wird aber aufgrund der Burganlage und ihres Namens meist angenommen, dass sie oberhalb des heutigen Mühlenstaus eine Wasserburg auf den drei Krückauinseln (heutige Schlossinsel Rantzau) besaßen, da die Insellage innerhalb des Sumpfgebiets der mäandrierenden Krückau gute Verteidigungsmöglichkeiten bot. Unklar ist bisher, ob hier auch der befestigte Hof (curtis) Barmstedt zu verorten ist. Neben der Bezeichnung „curtis“ gab es nach Hirschfeld (S.4) im Mittelalter für solche Anlagen auch die Ausdrücke „curia“ und „castrum“. Curia bezeichnete im 13. Jahrhundert die Bezeichnung für einen ritterlichen Hof als Typus zwischen einer ritterlichen Burg (castrum) und Bauernhof, der immerhin durch Umwallung geschützt war. Die Übergänge seien aber fließend gewesen und hätten sich der jeweiligen Landschaftsform angepasst. Die Höfe hätten in oder neben Dörfern gelegen, die Burgen aber abseits vom normalen Siedlungsplatz in Niederungen als Sicherung gegen Überfälle.

Als Bauform der Burgen des 12. und 13. Jahrhunderts wird heute meist die Turmhügelburg (Motte) vermutet, wie sie als experimenteller Wiederaufbau in Lütjenburg neu entstanden ist. Auch die Hatzburg bei Wedel wird in ihrer Ursprungsform diesem Typus entspochen haben, wie er auf der obigen Zeichnung z.B. auch für die Motte in Attendorn-Berlinghausen vermutet wird. Da es keine gewachsenen Felsabbaugebiete in der norddeutschen Tiefebene gibt, waren die Wohn- und Verteidigungsbauten nicht wie im Rheinland aus Stein, sondern fast ausschließlich aus Erde und Holz gebaut, welches – sofern nicht besondere Bedingungen vorliegen – inzwischen vollständig verschwunden ist. Reste solcher Burgen sind deshalb nur nachgewiesen worden, wenn der Bauplatz nicht wiederverwendet wurde und Wall- oder andere Bodenformationen übrig blieben. Eine solche Fundstelle gibt es an der Krückau oberhalb von Barmstedt, wo sich am Ufer der Krückau eine Turmhügelburg bei Langeln befunden haben muss. Die Barmstedter Burg in der Krückau wurde jedenfalls später durch ein Schloss überbaut. Möglicherweise gab es mehrere solcher Burgen in unserem Gebiet. Die Barmstedes selbst besaßen nachweislich eine Burg (castrum) in Uetersen, deren Standort nach der Klostergründung verlegt wurde.

Ob es zur damaligen Zeit bereits eine Mühle gegeben hat, ist nicht bekannt. Wassermühlen allerdings wurden damals mit teils großem Aufwand angelegt. Für Hamburg, die zentrale Stadt und Burg der Grafschaft Stormarn ist beispielsweise dokumentiert, dass dort 1189 ein Damm durch die Alster gebaut wurde, um eine Kornmühle zu betreiben. Sie wurde an einen Müller verpachtet, der dafür einen Teil an die gräfliche Kasse weiterzugeben hatte.

Die Umstände, die zum Ende der ritterlichen Herrschaft über die Barmstedter Region gegen Ende des 13. oder zu Beginn des 14. Jahrhunderts führten, ist noch unklar. Die Ursachen dürften mit den allgemeinen Strömungen dieser Zeit zusammenhängen und könnten eine Folge der Schauenburger Herrschaftsausdehnung zu Lasten des niederen Adels sein. So bleibt für Barmstedt sowohl die Frage des Wohnsitzes auf den Krückauinseln als auch die der herrschaftlichen Zugehörigkeit vor Beginn der schauenburgischen Herrschaft im Jahre 1322 im Dunkeln.

Schauenburger Amtmann auf der Burg – Sitz des Amtes Barmstedt (Kirchspiele Barmstedt und Elmshorn)

1322 kauften die Schauenburger vom Hamburger Domkapitel die Burg bei Barmstedt mit sämtlichen Einkünften incl. Uetersen, außerdem Rellingen im Austausch gegen Wohldorf, Rahlstedt und Bergstedt. Diese Gebiete waren die vorletzten Stücke der endgültigen „Grafschaft Holstein-Schauenburg“ bzw. „Holstein Pinneberg“ bzw. „Herrschaft Pinneberg“ mit den Ämtern Pinneberg, Hatzburg, Barmstedt, ab 1390 auch Herzhorn, den Vogteien Ottensen und Uetersen und dem Flecken Altona. Verwaltet wurde das Gebiet von einem Drosten auf der Hatzburg bei Wedel an der Elbe. Ihm unterstanden die Amtmänner und Vögte.


1333 wird zum ersten Mal das Amt Barmstedt erwähnt, das von einem Amtmann auf Haus Barmstedt verwaltet wird. Es entspricht in seinen Grenzen etwa dem Urkirchspiel Barmstedt. Zum Amt gehörten die Kirchspiele Barmstedt (incl. Hörner Gilde, ohne Bilsen) und Elmshorn. Den Amtmännern unterstanden direkt der Kornschreiber, das Personal auf der Burg und dem Hof und der Vogt von Elmshorn. Die Bauern und Kätner mussten Hand- und Spanndienste für die herrschaftlichen Ländereien leisten, was bedeutete, dass sie zu allen Arbeiten, die auf dem Hof anfielen, herangezogen wurde, also zur Düngung, Aussaat, Ernte, Streubeschaffung oder Holzverkauf. Dabei mussten sie ihre Gespanne zur Verfügung stellen. Niemand durfte aber mehr als zwei Tage die Woche zu diesen „Hoftagen“ herangezogen werden. Während der Arbeit wurden sie frei verpflegt. Die Ländereien, aus denen das Gut Barmstedt entstand, umfassten 20 Morgen und 7,5 Ruten Marsch in Sommerland, 13 Morgen Marschland in Rahefelde, 61,5 Morgen und 20 3/6 Ruten Geestland und 38 1/2 Morgen und 25 13/15 Ruten Wiesenland. Die Flurnamen der Geestländereien waren: Neuer Hopfengarten, alter Hopfengarten, Pferdekoppel im Osten, Kuhkoppel im Osten, Mölenwiese im Osten, Bullenkuhlenwiese Lusewinkelswiese im Norden, Schafwaschwiese im Norden, Offenauer Wiese, Schweinekoppel an der Aue, Osterwiese, Jasenwinkelskamp, Rettekamp, Kalekamp, kleines Moorkamp, Tidenhof mit Bornerkamp, Wendkamp, Bötkerskamp. Außer den Hopfengärten unmittelbar am Vorwerk gelegen waren diese Koppeln, Wiesen und Kämpe in der Feldmark verstreut. (Dössel, S. 64)

Wahrscheinlich 1370 wurde (nach Dankwerth 1270, dem hier wohl mit Recht ein Schreibfehler in seiner 1652 erschienenen Neue Landesbeschreibung der zwei Herzogtümer Schleswig und Holstein unterstellt wird), „der Hoff oder das Gebäw so annitzo stehet“, nämlich das Haus Barmstedt von Graf Otto zu Schawenburg erbaut. Richard Haupt nimmt demgegenüber an, dass die Entstehungszeit des Hauses im 16. Jahrhundert anzusetzen sei. Auf jeden Fall wurde die vorher bestehende Burg abgebrochen und ein herrschaftliches Haus an gleicher Stelle erbaut. Über seine Größe und sein Aussehen gibt es nur Mutmaßungen. Sicher ist lediglich seine Lage auf den drei Krückauinseln, der heutigen Schlossinsel.

1588 wird die Pinneberger Landtafel von Daniel Freese im Auftrag von Graf Adolf XIV. von Holstein-Schauenburg fertiggestellt. Das mit kunstvollen Details ausgestattete Landkarten-Gemälde (5m x 4,50m) mit 650 historischen Orts- und Flurbezeichnungen der Grafschaft Holstein-Pinneberg und 62 Wappen des Schauenburger Adelsgeschlechts ist eines der ersten seiner Zeit. Das Original hängt im Bückeburger Schloss, dem letzten Sitz der Schauenburger Grafen, der sich seine ferne Pinneberger Herrschaft auf diese Weise ständig vor Augen führen konnte. Kopien hängen auch im Pinneberger Ratssaal und im Altonaer Museum. Barmstedt als „Barmstede“ wird als umfriedetes Kirchdorf an der Krückau – kleiner als Elmshorn – dargestellt, mit einem nördlich gelegenen Galgenhügel. Daneben die vom Barmsteder Wolth eingerahmte herrschaftliche Anlage auf den Inseln im Fluss mit einem vorgelegenen Gutshof. Der Galgenhügel macht deutlich, dass der Amtmann auch die Halsgerichtsbarkeit besaß. Aus dieser Epoche stammt die bis heute im nordwestlichen Barmstedt existierende Straßen- und Flurbezeichnung Galgenberg.

Zum Amt und Haus (Gut) Barmstedt sind ab 1600 – nach Dössel – erstmals ausführliche schriftliche Unterlagen zu Einnahmen- und Ausgabenregister, Voranschlägen, Pachtverträgen u. Ä. erhalten geblieben. So können für diese Zeit zugehörige Gebiete, Bewohner, Verwaltungsaufbau, Dienstpflichten, wirtschaftliche Verhältnisse und Einkommen bestimmter Berufsgruppen nachvollzogen werden. Als Bewohner des Amtes Barmstedt werden aufgeführt als zum Kirchspiel Elmshorn gehörig die „Raherleutte, Elmßhorner Fleckesleutte, Kaltenwweider, Spiekerleutte, Hasenbüscher, Sandtberger“. „Das Caspell Barmstedte mit Bockholtz, Hanredder, Aspern, Großen Offensetz, Lütken Offensethe, Bokelseß, Westerhorn, Osterhorn, Bokel, Brande, Lützhorn, Hede, Langlen, Hemdingen, Tiensen, Bevern, Seth, Colling, Kirchdorff“ (1; StAK, AX83). Bullenkuhlen, Ellerhoop, Eekholt, Sparrieshoop werden nicht genannt, möglicherweise weil die Ortsbezeichnungen damals nicht gebräuchlich waren, so Dössel.

Die Amtmänner, von denen die Namen Otto Schriewer, Albrecht Werk und Daniel Utecht überliefert sind, wohnten auf dem Haus Barmstedt auf den heutigen Schlossinseln. Sie waren dem Drosten in Pinneberg unterstellt, an den auch die erwirtschafteten Überschüsse abgeführt werden mussten: Zwischen 1600 und 1617 betrugen sie zwischen 7.463 und 15.693 Mark jährlich. Die Einnahmen stammten aus „stehenden Pflichten“, verkauftem Korn, verkauftem Holz (für Mühlen, Vorwerke, Brücken, Marschbewohner), „Brüchen“ (verhängten Strafen), Barmstedter und Elmshorner Dienstgeldern (Ablösung eines Teils der Hand- und Spanndienste), der 3- oder 5-jährigen „Bede“, dem „Hühnergeld“, der Schweinemast in den gräflichen Hölzungen, der Fischerei (u. a. in der Aue und dem Burggraben), Jagdergebnissen des Jägerknechts) und schließlich den Einnahmen aus den Mühlen. Die Wassermühle war bis 1605 eine Hausmühle, danach wurde sie – wie der Hof – verpachtet, so dass eine gleichbleibende feste Einnahme entstand. Dasselbe galt für die anderen Mühlen des Amtes, u. a. in Bokel.

Im Amt Barmstedt gab es damals 112,5 „Bauleute“ (Bauernstellen), 185 Kätner und 45 Brinksitzer (Tagelöhner/Kleinstbauern), im Barmstedter Kirchdorf selbst gab es 7 Bauleute und 22 Kätner.

Graf Ernst von Holstein Schauenburg 1601-1622

Der Amtmann in Barmstedt hatte neben seinen Aufgaben als herrschaftlicher Beamter auch für die Bewirtschaftung der gräflichen Ländereien zu sorgen. Diese Aufgabe wandelte sich um 1600. Fast überall in den Herzogtümern wurden die herrschaftlichen Ländereien wegen der krisenhaften Entwicklungen auf den Absatzmärkten um die Wende des Jahrhunderts verpachtet, so dass anstelle einer je nach Konjunktur größeren oder geringeren Einnahme ein festes Pachtgeld in die herrschaftlichen Kassen floss. Die Ländereien des Hauses Barmstedt pachtete der dortige Amtmann Dr. Joh. Treimann für 2000 Taler (u. a. Dienstgeldentschädigung für gräfliche Kasse: 200 Taler für 40 Bauleute (Bauern) und 100 Taler für 50 Kätner, die er zum Ackerbau nötig hatte. Dazu gehörten auch 20 Morgen Marschland in Sommerland, 61 Morgen Grasland, 38 ½ Morgen Deichland, 4 Moorkoppeln, die Schäferei, Sommerweidung aller Redder (Wege mit Hecken auf beiden Seiten) [Ehlers S.108] Der volle Baumann zahlte an Dienstgeld ca. 20 Taler, Kätner verschieden, Brinksitzer. [Ehlers S.104]
In den Jahren 1599, 1607 und 1611 führte der Amtmann und Pächter im Haus Barmstedt Hexenprozesse durch, in denen mehrere Frauen nach langen Verhören unter Folter „gestanden“, Umgang mit dem Teufel gehabt zu haben und an Tod, Krankheit und Missernten durch Zauberei schuld zu sein. Alle diese Frauen starben auf dem Scheiterhaufen. Die Gerichtsakten sind von Hans Dössel ausführlich dargestellt.

1640 starb der letzte Schauenburger, Graf Otto IV. von Schaumburg (Holstein-Schauenburg), Landesherr der Grafschaft Holstein-Pinneberg, ohne Erben. Der dänische König Christian IV. nahm daraufhin mit der Begründung, es sei ein heimgefallenes Reichslehen und ein Teil des Herzogtums Holstein, die gräflichen Ländereien in Besitz und ließ sich von den Eingesessenen huldigen. Herzog Friedrich III. von Holstein-Gottorp machte aber ebenso wie die Mutter des verstorbenen Schauenburgers, die nachweisen konnte, dass es ein erblicher Familienbesitz sei, die gleichen Ansprüche geltend. Am 7. Dez. 1640 kam es zu einem Vergleich: König und Herzog kauften der Grafenmutter die Grafschaft ab. Der König erhielt 3/5 (wegen der bisherigen Unkosten), der Herzog 2/5 des Territoriums. Alles zusammen soll mit 800.000 Talern veranschlagt worden sein. Der königliche Teil wurde als Herrschaft Pinneberg nicht mit dem Herzogtum Holstein verbunden, sondern gesondert verwaltet.

Das Amt Barmstedt nebst Elmshorn, veranschlagt zusammen für 150.000 Taler und 10.000 in bar, kam an den Gottorfer Herzog. Das 2. Fünftel erhielt der Herzog 1642 auf dem Kieler Umschlag mit 160.000 Talern ausgezahlt. Jeder Landesherr ließ seinen Anteil durch einen Drosten verwalten und setzte zur Aufsicht über die Kirchen einen Probsten ein. Entgegen der Forderung der Holsteinischen Landstände wurde die ehemalige Grafschaft Holstein-Pinneberg nicht dem Herzogtum Holstein einverleibt, sondern blieb im Einvernehmen beider Herrscher ein für sich bestehender Landesteil (bis 1806), ähnlich dem Bistum Lübeck. Drost über den herzoglichen Anteil Barmstedt und Elmshorn wurde Anthon von Wietersheim. Die Kirchenaufsicht hatte vorher beim Superintendanten Johann Gisenius in Rinteln gelegen. Der Herzog setzte jetzt seinen holsteinischen Probsten Paul Sperling ein. Die Bauern hatten neben den Abgaben Hand- und Spanndienste zu leisten, was bedeutete, dass jeder an einigen Tagen der Woche auf den herrschaftlichen Ländereien zu arbeiten hatte. Leibeigenschaft wie auf den ostholsteinischen Gütern gab es hier nicht. (Rauert).

Herrschaftssitz der Grafen zu Rantzau

Christian Rantzau (1614 – 1663)

Am 28.12.1649 erwarb Christian Rantzau, der dänische Statthalter der Herzogtümer Schleswig und Holstein, vom Gottorfer Herzog Friedrich III. zum Preis von 201.000 Speciestalern das ehemals schauenburgische Amt Barmstedt und ließ dort – auf den drei Inseln der Au – ein Schloss errichten. Der Sinn des Kaufs bestand für Rantzau, einen der reichsten und mächtigsten Männer im dänischen Königreich, darin, ein reichsunmittelbares Lehen zu erwerben, durch das er direkt herrschaftliche Rechte als Reichsfürst erhalten konnte, sofern dieses vom Kaiser gebilligt wurde. Rantzaus Stammsitz, die Breitenburg, lag nicht weit entfernt, war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch durch die Zerstörungen der eben beendeten Kriege kaum bewohnbar. Da er als Statthalter in Glückstadt residierte und gleichzeitig königlicher Amtmann auf der Steinburg war, musste ihm das Amt Barmstedt, das vom befreundeten gottorfischen Drosten Kielmannsegge verwaltet wurde, als ein sehr günstiger Zuerwerb erscheinen. Er konnte das Amt mit allen „Gerechtigkeiten“ gegen seine Güter in Wagrien und Koxbüll (Amt Husum) und 101.000 Taler mit dem Gottorfer Herzog tauschen. Das alte Stammgut der Familie Rantzau in Wagrien konnte er allerdings bald zurück kaufen.

Gleich nach dem Kauf ließ er sich – am 5. Januar 1650 – von seinen neuen Untertanen auf dem Haus Barmstedt, jetzt „Schloß“ Rantzau huldigen. Seine Erhöhung zum Reichsgrafen (Comitiv und Pallatinat) und die Erhebung des Amtes Barmstedt zur Freien Reichsgrafschaft des Heiligen Römischen Reichs konnte Rantzau erreichen, als er 1650 als Gesandter des dänischen Königs Friedrich III. in Wien stellvertretend die Belehnung mit dessen Herzogtum Holstein durch den deutsch-römischen König Ferdinand III. entgegennehmen durfte. Seine sehr großzügigen Geschenke an den Kaiser und sein prächtiges Auftreten ermöglichten ihm, für sich selbst zu erreichen, dass dieser die Vertauschung und den Verkauf der Gebiete mit dem Gottorfer bestätigte und ihn entsprechend erhöhte.

Damit war dieses kleine Gebiet, das praktisch nur aus den Kirchspielen Barmstedt und Elmshorn bestand – wobei die Dörfer ringsum damals dazugehörten – direktes Lehen des Reiches und weder den beiden holsteinischen Herzögen noch einer anderen Instanz als dem Reich untergeordnet, wenn auch Teil des niedersächsischen Kreises. Die Erbfolge wurde nach der Primogenitur (nur der erstgeborene Sohn tritt das Erbe an) bestimmt, es sei denn der Erstgeborene sei unfähig zu regieren. Ebenfalls wurden Abfindungsregeln festgelegt.

Christian Rantzau nahm alle Hoheitsrechte wahr, ließ Portugalöser und Thaler prägen, hob Gelehrte in den Adelsstand und hielt einen fürstlichen Hofstaat. Dafür ließ er das Schloss Rantzau bauen, das bis 1804, wenn auch verändert und erweitert, stand. Die abgebildete Umbau-Skizze befand sich in den gräflichen Akten und stammt wahrscheinlich von Graf Christian persönlich. Für die Untergehörigen schaffte er die vielen Hoftage und Fuhren ab, verpachtete stattdessen sämtliche Hofländereien und traf Vereinbarungen über die zu leistenden Dienste und Fuhren.

Der neue Reichsgraf lebte allerdings selten auf Schloss Rantzau, häufiger auf der Breitenburg, das er nach den Zerstörungen der Kriege repräsentativ ausbaute, war aber oft in Staatsgeschäften unterwegs. 1651 wurde er zusätzlich zu seinen übrigen Ämtern zum Präsidenten des Staatskollegiums erhoben.

Schloss Rantzau war im Verhältnis zur Breitenburg zwar recht viel bescheidener, aber als Zentrale seiner neuen Reichsgrafschaft nutzte Graf Christian sein Schlösschen bei Barmstedt durchaus auch zu repräsentativen Zwecken, z. B. beim Empfang des dänischen Königs. Auch sein Nachfolger, Graf Detlev, hielt sich selten hier, sondern eher auf seinem Gut Drage nördlich von Itzehoe auf. Als er 1697 starb, mussten alle Untertanen sich vor Schloss Rantzau versammeln und mit aufgehobenen Händen den durch Inspector Hildebrand von einem Fenster aus verlesenen Treu-Eid auf den neuen Grafen Christian Detlev schwören. Dieser wiederum hatte um sein Schloss und die Grafschaft zu kämpfen, da er schon bald mit dem dänischen König, dem Gottorfer Herzog und seinen Untertanen in schwere Konflikte geriet. Geschichte Während seiner umstrittenen Regierungszeit wurde das Schloss mehrere Male „erobert“ und wieder „befreit“. Als schließlich nach seiner Ermordung 1721 die Grafschaft vom dänischen König sequestriert wurde, schaffte man das gesamte Inventar des Schlosses, v.a. den gesamten Archivbestand, fort.

Sitz der königlich dänischen Administratur

Fortan war das Schloss Sitz der könig-herzoglichen Verwaltung unter Leitung eines Administrators und die Grafschaft Teil des dänischen Gesamtstaates.

Die Sequestrierung (Beschlagnahme und zunächst Zwangsverwaltung) durch den königlichen Conferenzrath und Landrat Blome zu Neversdorf am Tage der Urteilsverkündung fand offenbar innerhalb der Grafschaft ohne großen Widerspruch statt. Auf Schloss Rantzau wurden alle „Eingesessenen“ (Bewohner) zum Gehorsam verpflichtet und das gesamte gräfliche Eigentum sowie das Archiv ausgeliefert. Zwei Notare nahmen ein genaues Inventar der Grafschaft auf. „Die gräflichen Gebäude wurden in Augenschein genommen, und die darin befindlichen Mobilien, so wie alles sonstige gräfliche Eigenthum verzeichnet. Die sämmtlichen Unterthanen wurden um ihr Saat- und Wischländereien, wie auch Torfmoor befragt, und aus ihren Quitungsbüchern notirt, was sie dafür jährlich bezahlen mußten und in wie weit sie bezahlt hatten.“ (Rauert, S. 20) Die einzige Erbin war die Schwester der beiden Grafen. Catharina Hedewig, verheiratet mit dem Grafen von Castell-Rudenhausen, erbte aufgrund eines Vergleichs mit dem König alle Allodialgüter (den uneingeschränkten Besitz der Familie: Breitenburg, Drage, Lindewitt, Giesingholm, Neuendorf, Rantzauin Wagrien) und Mobilien (bewegliche Ausstattung) und übernahm die Prozess- und Gefängniskosten, verzichtete darüber hinaus auf alle Rechte an der Grafschaft.

Heinrich Blome residierte in der Folge als Administrator auf Schloss Rantzau bis 1730. Ihm folgte Christian Albrecht John (1730-1738), dann Georg Wilhelm Baron von Söhlenthal (1738-1768). In dieser Zeit kam es infolge günstiger Konjunktur und merkantilistischer Maßnahmen auch in der Grafschaft zu wirtschaftlichem Aufschwung. Das Schloss wurde repräsentativ erweitert. Die Umbauzeichnung stammt von 1756 und liegt im Landesarchiv.

Schloß Rantzau Umbauzeichnung 1756
Schlossinsel im 18. Jahrhundert. Das Haupthaus wurde 1804 durch einen Neubau ersetzt
Rekonstruktion der Bebauung nach 1756 aufgrund der Karte thor Stratens durch Helmut Trede. „Schlossinsel Rantzau. Ein geschichtlicher Rückblick“ Bokel 2011

Rekonstruktion der Schlossinseln Rantzau in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Helmut Trede erstellte dieses Modell auf der Grundlage des Insel-Grundrisses von thor Straten und der baulichen Situation nach 1756.

  • Hintere Insel: Das Schloss mit Seitenflügeln. Dahinter auf dem lang gestreckten Inselwurm, dem Rest des alten Ringwalls, der als Bleiche benutzt wurde, ein kleines Gartenhäuschen.
  • Mittlere Insel: Gerichtsgebäude, davor die Baracke, in der u.a. manchmal Soldaten einquartiert wurden.
  • Vordere Insel: Links das Amtsverwalterhaus, schräg dahinter die „Remise“, ein kleiner Schuppen des Amtsverwalters. Rechts Pförtnerhaus mit Gefängnis auf der vorderen Insel, davor die Zugbrücke, dahinter „der große Stall“. Von diesen Gebäuden blieb nur die Remise erhalten. Alle anderen wurden im 19. Jahrhundert abgerissen und – bis auf den Stall – ersetzt.
  • Vorwerk mit großem Wirtschaftsgebäude, kleinen Nebengebäuden (unten) und dem Backhaus (rechts). Davon ist nichts mehr vorhanden.
  • Mühle mit Müllerhaus und Scheune. Beide Gebäude inzwischen abgerissen und ersetzt.

Söhlenthal war wie sein König, Christian VI., Pietist und seit seiner Studienzeit Freund Zinzendorfs, des Gründers der Herrnhuter Brüdergemeine, einer konfessionell freien Gruppe, deren Mitglieder konsequent christlich leben wollten. Den Kontakt zu dieser Gruppe hielt Söhlenthal durch den gemeinsamen Freund Anton Heinrich Walbaum, der ihn auf Rantzau auch besuchte und dies ausführlich in seinem veröffentlichten Tagebuch festhielt.

1753 wurde ein großer Stall für 12 Pferde mit Wagenremise und für Kühe neben dem Pförtnerhaus neu errichtet. Er stand bis 1868 und wurde dann ersatzlos abgerissen.

1768-1784 amtierte Administrator Christian von Brandt auf Rantzau, 1784-1789 Johann Otto Niemann.

Auf der abgebildeten schon sehr präzisen Varendorfschen Karte von 1789/96 sind die drei Schlossinseln innerhalb des Burggrabens nahezu gleich groß, fast kreisförmig und in einer Reihe angeordnet dargestellt. Man gelangte von einer zur anderen über Brücken, erst im 19. Jahrhundert wurden die Gräben zwischen ihnen zugeschüttet. Südwestlich ist die Wassermühle erkennbar, westlich befand sich das Vorwerk und der Garten. Umgeben ist die Anlage von Wiesen, durch die sich die Aue (Krückau) schlängelt. Westlich befinden sich Waldstücke, die deutlich kleiner waren als heute.

Das Wegesystem ist teilweise mit unserem heutigen identisch, teils unterscheidet es sich. So führte die – unbefestigte – Landstraße nach Altona über Bevern an der Mühle vorbei und bog erst danach parallel zum Schleusengraben nach Süden ab. Um von Rantzau aus nach Elmshorn zu gelangen, ritt, ging oder fuhr man auf seinem Pferdewagen zunächst zur Oh-Kate (heutige Esso-Tankstelle), wo sich der Weg gabelte, und dann in einem Zickzackkurs auf einem Sandweg durch den Wald nach Voßloch und weiter nach Offenau und Elmshorn.

Rantzau verliert sein Schloss – Das 19. Jahrhundert beginnt

Topographisch-militärische Karte des Herzogtums Holstein 1792/93

Während es in Frankreich zur großen – von den gebildeten Schichten zunächst überall bejubelten – Revolution kam, wurde in den Herzogtümern und im dänischen Königreich unter der faktischen Regierung des Kronprinzen eine aufgeklärte, an wirtschaftlicher und sozialer Entwicklung orientierte Politik betrieben. Administrator auf Rantzau war von 1789 – 1795 Friedrich von Bardenfleth (Kammerherr und Landrath), während dessen Zeit das große Vorwerksgebäude unter der Aufsicht des für Holstein und Altona zuständigen, durch klassizistische Bauten in Altona berühmt gewordenen Landbaumeisters Christian Frederik Hansen errichtet wurde. (Trede 2011, S. 32) Amtsverwalter war bis 1792 Philip Georg Friederich von Reck (Regierungsrath). Ihm folgte bis 1801 Heinrich Theophilius Christian Hasse (Legationsrath und Doctor der Rechte) Als Administrator folgte 1795 – 1798 Hinrich Friedrich von Eggers (Conferenzrath und Ritter). Amtsverwalter wurde 1801 Hildemar thor Straten (Kriegsrath). Administrator war 1798 Nicolaus Otto Baron von Pechlin (Kammerherr) geworden. Nach Aussage seines Nachfolgers von Hennings war dieser jedoch unzuverlässig (Ritschl, S.156). Auch thor Straten klagt über die Amtsführung seines Vorgängers. (thor Straten, S.91) Aber es kam in der Zeit Pechlins und thor Stratens zu einer entscheidenden Veränderung auf Rantzau, nämlich zum Abriss des Schlosses und seiner Ersetzung durch einen erheblich schlichteren Neubau. Über deren Hintergrund ist bisher wenig Genaues bekannt, außer der Tatsache, dass die Bausubstanz des Schlosses völlig marode war. Graf Reventlow schreibt 1796 in seinen „Reise Bemerkungen“:
„Ich besah mir das Haus des Administrators. Das ganze Wesen ist eine abscheuliche meist aus kleinen Löchern bestehende Schrummeley. Bald geht es Trepp auf und bald herunter. Alles ist von Fachwerk. Das neue Haus ist noch schlechter als das alte gebaut. Unter dem neuen Hause ist fast nirgends fester Grund, und das Haus ist deswegen unglaublich viel von außen und innen gesunken. Ich habe nie so versunkene Scherwende gesehen, und einige gezogene Schornsteine auf so unsicheren Unterlagen sind durch die vielen Risse die sie bekommen gaben, und stets bekommen werden, sehr unsicher.“ (Trede 2011, S.28)

Zur Geschichte dieses auf Graf Christian Rantzau zurückgehenden, 1722 umgebauten und in dänischer Zeit, 1757 und 1758, durch einen großen Flügelanbau erweiterten Schlosses sowie des gesamten Komplexes der Schlossinseln incl. des Vorwerks mit neu aufgefundenen Karten und Zeichnungen hat Helmut Trede ausführlich geforscht und die gut illustrierte Broschüre „Schlossinsel Rantzau. ein geschichtlicher Rückblick“ vorgelegt. (siehe Literaturverzeichnis)

Neubau des Amtssitzes auf der Schlossinsel – Zeichnung von ca. 1815

Im Jahre 1804 bzw. 1805 wurde das alte inzwischen dreiflügelige Schloss aus der Zeit um 1650 abgerissen und ein neues Wohnhaus für den Administrator errichtet, das (wohl) heute noch steht. Es gibt unterschiedliche Darstellungen über die Baugeschichte, die hier nur angedeutet werden sollen. Nach Ritschl, der die privaten Unterlagen der Familie des Administrators von Hennings ausgewertet hat, wurde der Neubau vom oben erwähnten Landbaumeister Christian Frederik Hansen im neoklassizistischen Stil errichtet, während von Hennings sich um die Stelle bewarb. Er habe auch die Pläne zugesandt bekommen und sich über die Symmetrieversessenheit Hansens lustig gemacht. Dieser großzügige Bau sei erst zum Einzug von Hennings im Jahre 1808 fertig geworden, im Jahr 1828 aber nach einem Brand von einem ganz schlichten Neubau ersetzt worden. Näheres hier. Nach Hubertus Neuschäffer wurde der Bau jedoch in der heutigen Form 1804 bis 1806 von C.F.Hansens Neffen, dem späteren Bauleiter der Kirche in Quickborn, Johann Matthias Hansen, erbaut. Auch hier (?) hatte allerdings C.F.Hansen den Entwurf geliefert. Helmut Trede konnte – wiederum in seiner 2011 erschienenen Veröffentlichung – nach Auswertung der Bauakten nachweisen, dass der Entwurf zum 1805/06 erbauten Gebäude auf der Schlossinsel vom Bauinspektor Friedrich Christian Heylmann d.Ä. aus Altona stammt. Festhalten lässt sich allerdings, dass der Landbaumeister Hansen zuständig war, im Jahre 1804 aber nach Kopenhagen ging, um das abgebrannte Schloss Christiansborg neu zu errichten, und dabei die Holstein betreffenden Aufgaben an seinen Stellvertreter Heylmann abgab. Interessant ist jedoch die Ähnlichkeit des Rantzauer Gebäudes mit dem auf Hansen zurückzuführenden Herrenhaus auf Gut Krummbek aus dem Jahr 1803. Das gesamte Gebäudeensemble auf den Schlossinseln ist im 19. Jahrhundert erneuert worden.

Ab 1808 wurde August Adolph von Hennings neuer Administrator auf Rantzau. Er war die sicherlich interessanteste und auch bekannteste Persönlichkeit auf diesem Posten. Vor seiner Ernennung zum Administrator in dem von aller Politik weit abgeschiedenen, idyllischen Rantzau hatte er sich bereits einen Namen gemacht als Vorkämpfer der Aufklärung und Menschenrechte, Staatsmann und Schriftsteller.

Karte thor Straten von 1818

Möglicherweise um einen ruhigeren Ort als Plön zu finden, hatte von Hennings den regierenden Kronprinz mehrfach um die durch Tod des Vorgängers im August 1807 freigewordene Stellung in Rantzau gebeten und erhielt sie schließlich im Mai 1808. Nach Hamburg, wo seine Töchter Cäcilie Wattenbach und Louise Sieveking wohnten, war es nur 4 Meilen und man konnte an einem Tag mit der Kutsche sowohl hin als auch zurück fahren. Auf Rantzau hatte Hennings im Bereich des Vorwerks einen großen Garten, den er nach den Tagebuchaufzeichnungen seiner Enkelin selbst angelegt hatte. Sie schreibt darüber:

„Eine tiefe Au, ein Mühlenteich und kleinere Kanäle bilden verschiedene Inseln, durch Brücken verbunden. Auf einer derselben liegt das Wohnhaus mit einem Wirtschaftsgebäude, durch eine Brücke mit einer Insel verbunden, die zur Bleiche dient. Zur anderen Seite führt eine Brücke auf eine dritte Insel, welche das Gerichtshaus trug, abermals führt eine vierte Brücke auf die vierte Insel mit dem Wohnhaus des Amtsverwalters und mit Hennings´ Kuhhaus und Pferdestall. Dieses Eiland verband eine Zugbrücke mit dem festen Lande, und dort befand sich erst der eigentliche Garten, ein Blumen- und Gemüsegarten. Rabatten mit Rosen und Johannisbeersträuchern und vielen Sommerblumen faßten lange gerade Wege ein. Buchenhecken bildeten Bogengänge; drei Fischteiche, ein Lusthaus, ein Brunnen und eine Mooshütte waren merkwürdige Punkte und die schönsten Erdbeerbeete breiteten sich verlockend zwischen Rasen und Fruchtbäumen aus. Ich glaube, daß dies alles noch nicht da war, als die Familie im Mai 1808 Besitz nahm von der neuen Stätte.“ (Ritschl, S. 157)

Die Hamburger Enkelkinder befanden sich mit ihren Familien oft hier, da sie wie alle Hamburger unter den Folgen der französischen Besatzung zu leiden hatten. Hennings kaufte 1812 zu seinen Amtsäckern noch den Hof Bollenkuhlen und betrieb jetzt eine richtige eigene Landwirtschaft.

Lohsesche Karte von 1811

Die Idylle auf Rantzau war jedoch sehr gestört durch das Verhältnis zwischen ihm und dem Amtsverwalter thor Straten. Die Meinungsverschiedenheiten mündeten in gegenseitigen Beschwerden vor dem Schleswig-Holsteinischen Obergericht in Glückstadt und eskalierten im Jahr 1816, als Wilhelm, der Sohn von Hennings, inzwischen Leutnant der hannoverschen Armee, thor Straten wegen Beleidigung seines Vaters zum Duell aufforderte. Erst 1823 wurde thor Straten nach Ahrensbök versetzt, übergab aber noch im gleichen Jahr – nach 22 Jahren Tätigkeit als Amtsverwalter und Hausvoigt – eine umfangreiche handgeschriebene „Beschreibung der Grafschaft Rantzau“, eine kameralistische Darstellung der Administratur mit geschichtlichen Erläuterungen von 738 Seiten an die Königliche Rentekammer in Kopenhagen. Diese Darstellung wurde offensichtlich Grundlage für die spätere Veröffentlichung Rauerts aus dem Jahre 1840. Helmut Trede veröffentlichte im Jahr 2005 dieses Werk und machte es damit für weitere Auswertungen zugänglich. Die Angaben sind außerordentlich detailreich und bieten ein großes Potential für die Lokalgeschichtsforschung. (s. Literaturliste)

Ende Mai 1814 verließen die geschlagenen napoleonischen Truppen das verwüstete und brennende Hamburg. Von Rantzau und Barmstedt aus, wo einige Flüchtlinge Zuflucht gesucht hatten, soll man den Feuerschein der brennenden Häuser des Hamburger Randgebietes gesehen haben. Hennings Sohn Wilhelm war als Soldat schon früh auf die antifranzösische Seite gegangen und damit auch zum Kriegsgegner Dänemarks geworden und rückte jetzt mit dem Feldbatallion Lauenburg in Holstein vor. Diese Koalitions-Truppen fluteten auch über Barmstedt hinweg, um die dänische Festung Glückstadt einzuschließen. Am 9. Dezember 1813 rückten schwedische Husaren in Barmstedt und Rantzau ein. Von jetzt an bis in den Februar mussten die Bewohner die Einquartierung und Verpflegung der Truppen hinnehmen. Nach den Schweden kamen die Russen, dann die Preußen, schließlich Engländer, Hannoveraner und die Hanseatische Legion. In Rantzau ließen sich die Offiziere und Generäle auftischen und die Betten machen, in den anderen Häusern die „Gemeinen“. Sie fühlten sich im Feindesland und sangen nationale Befreiungslieder von Theodor Körner, der als Mitglied des auch hier einquartierten Lützowschen Freikorps, erst wenige Monate vorher gefallen war. Am 1. Januar 1814 kamen feindliche Husaren mit 4000 Mann. Da sie sich in Feindesland sahen, brandschatzten sie nach J.J. Brockmann den Ort (1200 Mark). Als die Einquartierungen endlich beendet waren, folgte eine Typhusepidemie, der viele zum Opfer fielen. (Ritschl, S.167ff)

Mühle und Vorderinsel erhalten neue Gebäude

Das neue Amtsverwalterhaus, später Gerichtsschreiberhaus

Nach dem Ende der napoleonischen Kriege wurden auf Rantzau – genau wie in Barmstedt – wichtige öffentliche Baumaßnahmen, die man lange hatte aufschieben müssen, durchgeführt. Auf Rantzau entstanden 1815 ein neues Müllerhaus und eine Scheune. Auf dem Foto lugt das Müllerhaus hinter dem neueren Mühlengebäude von 1863 hervor. Leider musste es nach einem Orkan 1962 abgerissen werden. Die Scheune – ganz hinten auf dem Foto wurde 1970 ebenfalls wegen Baufälligkeit entfernt. Beide Gebäude der alten Rantzauer Wassermühle waren reetgedeckt und im Fachwerkbau errichtet. Über der Grootdör der Scheune war eingeschnitzt: FR VI (Friedrich VI.) den 14ten Seot.1815. Beide Gebäude und die Mühle lagen an der von der Hölzung her kommenden, am Schlossgraben entlang führenden mit Kopfsteinen gepflasterten Landstraße, die zwischen ihnen hindurch nach Bevern und Pinneberg führte. Geradeaus ging es nach Heede. Das im Vordergrund rechts stehende Gebäude wurde erst 1863 als Ersatz für die alte Mühle erbaut. (Trede 2011, S.33ff)

Eine weitere wichtige Baumaßnahme betraf das Amtsverwalterhaus auf der vorderen Insel. Dieses war schon seit Jahrzehnten offenbar in einem sehr schlechten Zustand gewesen. Sowohl der Legationsrat Hasse als auch sein Nachfolger von Straten schrieben eindringliche Briefe über ihre Dienstwohnung an die Rentekammer in Kopenhagen. (Trede 2011, S. 19ff) Im Jahr 1824 endlich – nachdem von Straten gegangen war – wurde ein Neubau errichtet, der seit der Aufhebung der Grafschaft Rantzau in preußischer Zeit als Gerichtsschreiberhaus bezeichnet wird. Auf dem Bild rechts oben ist es im heutigen Zustand aus südlicher Perspektive zu betrachten, deutlich zu erkennen ist das klassizistische Portal. Auf dem unteren Bild sieht man es zusammen mit der gesamten Inselgruppe von Norden aus, dargestellt in einer zeitgenössischen Lithographie des Elmshorner Grafikers R. v. Duhn. Hier ist am rechten Rand des Bildes noch die Zugbrücke zu erkennen, die nachts hochgezogen wurde und 1836 zusammen mit der alten Brücke und dem Pförtnerhaus durch einen stabilen festen Neubau ersetzt wurde. Daneben steht das neue Amtsverwalterhaus von 1824 und dahinter der große Stall neben dem alten Pförtnerhaus und Gefängnis. Vor dem Amtsverwalterhaus befindet sich die heute noch existierende Remise. In der Mitte des Bildes erkennt man zwischen den Bäumen das Gericht, den Vorgängerbau des heutigen Museums, und links hinter den Bäumen das Administratorenwohnhaus.

Das alte Wehr mit der Scheune

Der Streit zwischen Hennings und von Straten war nach Verleumdungen im Jahr 1816 bis zur Duell-Forderung, von von Straten zum Mordüberfall hochstilisiert, gediehen und überschattete die durch viele Tode in der Familie Hennings getrübte Zeit. Jetzt aber gab Hennings noch einmal ein größeres schriftstellerisches Werk heraus, das dem in den folgenden Jahrzehnten zunehmenden Rückbezug auf die nationale Geschichte vorgreifen sollte. Die Deutschen, dargestellt in der frühesten Vorzeit, aus den dürftigen Quellen der Geschichte und weit umfassenden Taten ist ein frühes Zeugnis historisch orientierter Germanenkunde, das die antiken Darstellungen neu bewertet und z.B. die Hyperboräer mit den Germanen identifiziert und die Sage von Atlantis auf ein untergegangenes Land in der Nordsee bezieht. Im übrigen hatte Hennings, inzwischen über 70, weiter als Administrator zu arbeiten. Pensionierungen gab es für königliche Beamte nicht. Seine Aufgaben waren: zweimal wöchentlich Gericht halten, die Sitzungen des kirchlichen Konsistoriums leiten, Kirchen visitieren, die Landesverwaltung ausüben. Dadurch hatte er auch nach dem Tod des 93-jährigen bisherigen Propstes Valentiner mit der Einführung von dessen Nachfolger Peter Christian Weller im Jahr 1817 zu tun. Die bisher freie Propstei wurde jetzt der königlichen Generalsuperintendentur unterstellt. Auch offizielle Anlässe, wie die Begleitung des inzwischen zum König gekrönten Friedrich VI., wenn er auf seiner Reise durch Holstein in Elmshorn haltmachte, gehörten zu Hennings Aufgaben, die er sehr gerne erfüllte, da er diesen reformwilligen König verehrte. (Ritschl, S.194) 1824 heiratete seine jüngste Tochter in der Barmstedter Kirche und auf Rantzau den späteren Hamburger Bürgermeister Friederich Sieveking, bei der es durch einen Böllerschuss aus der zur Feier des Ereignisses abgefeuerten, aber zerplatzenden Kanone des Müllers zu einem Todesfall kam. 1826 starb Hennings nach längerer Krankheit und wurde – ohne kirchliche Feier, aber mit einer Gedenkrede seines Freundes Pastor Mielk – auf dem Friedhof an der Kirche begraben.

Als neuer Administrator wurde 1826 – 1829 Hans Christian Diedrich Victor von Levetzow eingesetzt. Dessen Nachfolger von 1829 – 1849 war Otto Johann von Stemann.

1836 wurde das „uralte“ Pförtnerhaus von 1654 am Eingang der Schlossinseln abgerissen. Der große Stall daneben blieb noch stehen. In ihm wohnte der Torwächter und Pförtner, der u.a. nachts die Zugbrücke hochzuziehen und allmorgendlich wieder herabzulassen hatte. Er war gleichzeitig Gerichtsdiener und Gefängniswärter – denn hinter seiner Kammer befanden sich sieben Arrestzellen – und betrieb längere Zeit eine eigene einträgliche Krugwirtschaft. Das neue, heute noch stehende Gebäude hatte wie das alte einen Dachreiter mit Glockenstuhl und Uhr. Das im hinteren Anbau befindliche Gefängnis hatte sechs Zellen und wurde noch bis 1927 benutzt. Die Häftlinge waren v.a. wegen Bettelei, Rauferei und in Trunkenheit verübten Exzessen für 1 bis 2 Tage oder Absitzen von „Brüchen“ verurteilt worden. Die Zellen waren mit Pritsche und Strohsack und spärlichem Mobiliar eingerichtet. Im Sommer machten die Häftlinge oft Gartenarbeit für den Gerichtsdiener. Hin und wieder brachen einige über das Dach aus, um an Vergnügungen (Stoppelmarkt oder Tanzen) teilzunehmen, kamen aber zurück. Im vorderen Bereich gab es eine Amts- und Wachstube sowie 2 Wohnstuben für den Gerichtsdiener und seine Familie. Rundherum war ein Garten angelegt, der selbst genutzt werden durfte. – Mit dem Neubau des Hauses war auch gleichzeitig die alte Brücke durch eine stabilere Holzkonstruktion ersetzt worden. Für den Pförtner entfiel damit das abendliche Aufziehen der Zugbrücke und das morgendliche Herablassen. Stattdessen wurde die Insel jetzt durch eine Pforte gesichert.

Die Grundrisszeichnung links stammt vom Rantzauer Amtsverwalter Rauert, die idyllische Zeichnung von der Schlossinsel Rantzau vom Elmshorner Lithografhen R. V. Duhn. Der Blick geht von Westen entlang der Sichtachse bis zum „Schloß“. Daneben ist der Grundriss der Inseln aus der gleichen Zeit und in der gleichen Sichtrichtung wiedergegeben. Man erkennt, dass aus den drei Inseln, die noch 1805 existierten, zu Rauerts Zeit bereits zwei geworden waren, als nämlich 1818 aufgrund des Vorschlags von Stratens der Wasserlauf zwischen der ersten und zweiten zugeschüttet worden war. Der ganze Komplex war mit dem Vorwerk durch eine Brücke verbunden, die bis 1836 noch als Zugbrücke gebraucht und allabendlich geschlossen wurde.Rechts sieht man die Karte der Grafschaft Rantzau von M. H. T. Rauert von 1852.

Die hier wiedergegebenen Bilder erwecken den Eindruck von einer Rantzauer Idylle, die allerdings in scharfem Kontrast stand zu den politischen, sozialen und ökonomischen Verhältnissen dieser Zeit. Der Amtssitz Rantzau war um die Zeit der Revolution und der schleswig-holsteinischen Erhebung 1848-49 praktisch vakant geblieben, da zunächst ungeklärt blieb, wer die staatliche Autorität beanspruchen konnte, das Bevölkerungswachstum und die Verarmung vieler Menschen hatten bereits Unruhen und Diskussionen über politische Veränderungen nach sich gezogen.

Am 10. Mai 1840 wurde für die Bauern der Mühlzwang aufgehoben. Im Jahr darauf, am 21. April, wurden die Rantzauer- und Bokler Mühle für die Summe von 41.295 Rbthl. (=Reichsbanktaler) auf Erbpacht verpachtet. Der bisherige Müller Jakob Bornholdt wurde der neue Pächter. (J.J.Brockmann)

M.H.T.Rauert

Als Sekretär des Amtsverwalters – unter Administrator von Stemann – wurde von 1834 bis 1837 Matthias Heinrich Theodor Rauert angestellt. Er ist in der Barmstedter Region berühmt geworden für seine 1840 erschienene Monografie unter dem Titel „Die Grafschaft Rantzau. Ein Beitrag zur genaueren Landeskunde“. Dieses Buch, das weitgehend auf den Vorarbeiten von Stratens beruhte, wurde 1936 mit einem Vorwort von Hans Dössel und als Reprint noch einmal 1983 aufgelegt, da in ihm Geschichte, Größe und Grenzen der Grafschaft, natürliche Beschaffenheit des Bodens, die Moore, Produkte wie Getreide, Viehzucht, Wild, Fische, die Lebensweise der Einwohner: Wohlstand, Nahrung, Bewirtschaftung der Landstellen und vieles Weitere detailliert beschrieben wurde. Mit diesem Buch empfahl sich Rauert in seiner „Vorrede“ als patriotischer Beamter für die Stelle des Amtsverwalters und konnte das Amt auch von 1843 – 1855 bekleiden.

Sein anderes für die Geschichte der Region sehr aufschlussreiches Werk ist die nebenstehende Karte der Grafschaft Rantzau, die relativ exakt die Orte, Straßen, Gewässer, Landschaftsformen und -nutzungen des Amtsbezirks darstellte, der wiederum weitgehend die Grenzen der historischen Grafschaft von 1650 umfasste. Interessant ist neben der Zentralität Rantzaus innerhalb der Grafschaft die Tatsache, dass Elmshorn nur nördlich der Krückau dazu gehörte. Die südlichen Bereiche Klostersande, Vormstegen und Langeloh gehörten zur Herrschaft Pinneberg.

Revolution von 1848 und das Ende der dänischen Herrschaft

Ende der Administratur / Errichtung des Amtsgerichts

Elmshorn. Versammlung auf dem Probstenfeld. Engl. Zeichnung

Die starke deutsch orientierte Volkbewegung in Holstein organisierte für den 27. Dezember 1863 auf dem Probstenfeld in Elmshorn eine Manifestation, bei der 20.000 Menschen zusammenkamen, um den Augustenburger Herzog zum „Herzog von Schleswig-Holstein“ auszurufen. Der Ort war durch den seit etwa 20 Jahren existierenden Eisenbahnanschluss mitten in Holstein günstig gelegen. Die Anwesenden wollten durch diese Aktion erreichen, dass der Rückenwind der von Süden eingerückten Truppen zu einem eigenständigen deutschen Bundesstaat Schleswig-Holstein genutzt werden konnte. Moltke muss durch diese Versammlung stark verunsichert worden sein, es ging um Oberbeamte wie ihn. Der Antrag auf Vertreibung der Eidleister fand jedoch keine Mehrheit, möglicherweise weil in diesen bürgerlichen Kreisen die Angst vor dem Chaos einer sozialen Revolution durch den „Vierten Stand“, die Arbeiterschaft, zu stark war. In den Zeitungen „Hamburger Presse“ und den „Schleswig-Holsteinischen Blättern“ wurden jedoch Anklagen gegen Moltke laut, er „habe Amtspflichten vorgetäuscht, um nicht an einem allgemeinen Bettage mit andächtig angehörten Reden der Pastoren Harder und Gardthausen teilnehmen zu müssen.“ (Jessen, S. 170) Als Ende Januar preußische Truppen frostig von der Bevölkerung empfangen wurden, stand Moltke, dessen Bruder bereits im Generalstab war, wieder unter höherem Schutz durch den neuen Zivilkommissar, der erklärte, „die treuen Beamten gegen Bedrohung und Verjagung durch das Volk zu schützen.“ Bismarck, der preußische Ministerpräsident, betrieb eine andere Politik, als die nationale Bewegung in Holstein sich gewünscht hatte. Er wollte einen eigenen Bundesstaat Schleswig-Holstein verhindern und stattdessen beide Provinzen dem preußischen Staat einverleiben. (ebd.)

Das diplomatische Tauziehen wurde zunächst durch ein Ultimatum gegen Dänemark zur Herausgabe des Herzogtums Schleswig unterbrochen. In dem folgenden deutsch-dänischen Krieg von 1864 unterlagen die Dänen bei Düppel und mussten im Frieden von Wien (30.10.1864) auf die drei Herzogtümer verzichten. In einem Kondominium, also einer gemeinsamen Verwaltung gelangte Holstein unter österreichische Verwaltung.

Administrator von Moltke schwört Dänemark ab und unterstellt sich Preußen
Adolph von Moltke, der als könig-herzoglicher Administrator dem dänischen König 1852 noch einen Eid geschworen hatte und nun von den neuen Verhältnissen überrannt worden war, befand sich in einer unsicheren Lage. Sein Bruder, der preußische Generalstabschef Helmuth, hielt ihn von einem Rücktritt ab und stützte – als siegreicher Generalstabschef – seine Position. Ein Rücktritt hätte den Verlust aller Einnahmen und damit – wegen fehlenden Eigentums – den Verlust des bisherigen Lebensstandards bedeutet – und der war nicht unerheblich und verursachte Kosten, z. B. für die sechs Kinder. Wilhelm (17) und Helmuth (16) waren inzwischen auf dem Christianeum in Altona, Marie (15), Friedrich (11), Ludwig (9) und Louise (8) wurden auf der Schlossinsel von Hauslehrern unterrichtet. (Jessen, S. 189)
Die Rivalität und Uneinigkeit über die Zukunft Schleswigs und Holsteins zwischen Österreich und Preußen führte im Juni 1866 zum Angriff Preußens auf Holstein und damit zum Deutschen Krieg, der mit dem Sieg Preußens bei Königgrätz am 12.01.1867 zur Einverleibung Schleswig-Holsteins in das Königreich Preußen führte. Damit war auch der Beitritt zum Zollverein und zum Norddeutschen Bund als Ersatz für den aufgelösten Deutschen Bund verbunden.

Auf dem Gebiet der Rantzauer Ländereien, wo sich bereits vorher eine Brauerei befunden hatte, ließ sich der Bauer und Brauer Peter Grelck vom preußischen Finanzministerium in Berlin einen Eiskeller genehmigen. Das Eis wurde im Winter auf den überschwemmten Wiesen der Krückauniederung „geerntet“ und in einer überdachten Grube eingelagert.

Die Rantzauer Administratur unterstand jetzt der neuen Provinzialregierung in Schleswig unter einem preußischen Oberpräsidenten. Moltke übte zunächst weiter sein Amt auf Rantzau aus und musste ab Oktober 1866 preußische Gesetze wie die Trennung von Justiz und Verwaltung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht, preußische Steuergesetze und die Wahlen zum ersten Kreistag umsetzen, teilweise gegen erheblichen Widerstand der Bevölkerung.

Die ehemalige Administratorenwohnung ist ab 1868 Wohnhaus des Amtsrichters mit Nebenwohnung für den Justizwachtmeister

Die für Rantzau wichtigste Neuerung war jedoch die Neueinteilung der Verwaltungsbezirke und damit der Verlust seiner Funktion als Verwaltungszentrum. Die Grafschaft Rantzau wurde in den neuen Kreis Pinneberg einbezogen, zusammen mit der Herrschaft Pinneberg, dem Kloster Uetersen (mit Ausnahme des Gutes Horst und der Vogtei Krempdorf), den Adligen Gütern Haseldorf, Haselau und Seestermühe und dem Kanzleigut Flottbek. Für den Posten des zukünftigen Landrats kamen die beiden bisherigen Oberbeamten Moltke (65) und der bisherige Pinneberger Landdrost Friedrich Graf von Baudessin (46) in Frage. Trotz seines Alters schlug der Oberpräsident Scheel-Plessen – wohl auch unter dem Druck von dessen inzwischen einflussreichen Bruder, dem Generalstabschef, – Adolf von Moltke vor, so dass dieser mit Wirkung vom 6. April 1868 sein Amt als Landrat antreten konnte und mit seiner Frau nach Pinneberg in die Drostei umzog. Da Residenzpflicht herrschte, bewohnte er zunächst das Palais mit 25 Räumen, was er sich nur leisten konnte, weil er als ehemaliger dänischer Administrator auch weiterhin mehr als doppelt so viel verdiente wie ein normaler Landrat.

Allerdings ging er bereits am 1. Juni 1870 in den Ruhestand. Moltke wollte darauf hin für ein Landtagsmandat der Konservativen Partei kandidieren. Er machte zunächst aber mit seiner Frau noch einen Besuch bei seinem Bruder auf Gut Kreisau und dann Urlaub in Lugano, wo er am 7. April 1870 starb. Seine Beerdigung fand „unter großer Beteiligung der Bevölkerung“ in Barmstedt auf dem neuen Friedhof statt.(Mosler; Jessen, S.190)

Als eine weitere wesentliche Neuerung wurde die Rechtsprechung von der Verwaltung getrennt und Rechtsgleichheit für alle Untertanen hergestellt. Die Provinz wurde in 70 Amtsgerichts- und 3 Landgerichtsbezirke aufgeteilt mit einem Oberlandesgericht. Als Ersatz für die bisherige Funktion wurde auf der Schloßinsel jetzt eines der königlich-preußischen Amtsgerichte in dem gerade 1863 neu errichteten Gebäude auf der mittleren Insel eingerichtet. Der Amtsrichter wohnte fortan in dem ehemaligen Wohngebäude des Administrators, in der Nebenwohnung und in den übrigen Gebäuden erhielten die Justizangestellten Platz für ihre Familien. Das ehemalige Amtsverwalterhaus war fortan das Gerichtsschreiberhaus, der Gerichtsdiener gegenüber behielt seine Aufgabe der Gefangenenbewachung und -betreuung.

Das Gefängnis wurde noch bis 1927 benutzt, zuletzt allerdings nur für die Untersuchungshaft und kurze Arreststrafen.

Den landwirtschaftlichen Betrieb auf dem Vorwerk gab man nach dem Ende der Administratur auf. Entsprechend fehlten für die damit verbundenen Gebäude, das Vorwerk und den großen Stall neben dem Gefängnis, die Verwendung und wurden abgerissen.

Bau des Rantzauer Sees 1934-37

Das Aussehen der Anlage veränderte sich entscheidend in den 1930er Jahren, als der Rantzauer See angelegt wurde. In einem groß angelegten Programm sollten die sumpfigen Krückauwiesen, durch die die Krückau hindurchmäandrierte, durch eine Begradigung des Flusslaufes kultiviert und ein Staubecken vor der Wassermühle gebaut werden. Eine Abteilung des Reichsarbeitsdiensts wurde dafür nach Barmstedt beordert, die mit Spaten und Lorenbahn die Erdarbeiten erledigte.

Zwar waren die Wasserläufe zwischen der ersten und zweiten Insel schon 1818, zwischen der dritten und dem Ringwall um 1860 zugeschüttet worden, jetzt aber entstand die große zusammenhängende „Schloßinsel“ in der heutigen Gestalt, umgeben vom Burggraben und dem Rantzauer See. Nur die kleine „Liebesinsel“ existiert noch als Rest des ehemaligen Ringwalls. Einen ähnlichen Anblick von Weitem hatten die Inseln auch vorher schon vom Herbst bis zum Frühjahr geboten, wenn der Wassermüller das Krückauwasser aufstaute, um genügend Kraft für den Mühlenbetrieb zu speichern. Jetzt aber war eine dauerhaft neue Situation entstanden, die den historischen Ort aus einer Flusslandschaft in eine Seelage gebracht hatte.

Während des Zweiten Weltkrieges wurde im Amtsgerichtsgebäude für kurze Zeit ein Marinekriegsgericht eingesetzt. Die Akten wurden bei Heranrücken der britischen Truppen auf einem Scheiterhaufen vor dem Haus verbrannt.

Im letzten Kriegsjahr und den Nachkriegsjahren waren hier auf der Insel wie überall viele Flüchtlinge untergebracht.

Bald nach Kriegsende nahm das Amtsgericht Rantzau nach der Rückkehr des zuständigen Amtsrichters aus der Kriegsgefangenschaft seine Tätigkeit wieder auf. 1975 wurden jedoch die Zuständigkeiten auf Elmshorn übertragen und die Schlossinsel verlor ihre letzte staatliche Funktion.

Die Schlossinsel heute

In das leerstehende Gerichtsgebäude zog 1979 das Museum der Grafschaft Rantzau von seinem bisherigen Standort Am Markt ein und zeigt hier seine Sammlung zur Geschichte der Grafschaft, aber auch Barmstedts von der Frühzeit bis zur Moderne. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der Entwicklung der Landwirtschaft und des Handwerks, besonders der Schuhmacherei, für die Barmstedt berühmt war.

Auf der vorderen Insel entstand für kurze Zeit ein privater Vogelzoo.

1984 übergab das Land Schleswig-Holstein die Insel an die Stadt Barmstedt. Vorhergegangen war eine Sanierung des Herrenhauses und eine Überplanung der Gesamtnutzung der Insel. Eine privat getragene Initiative machte sich – mit Unterstützung der Stadt – daran, die Restaurierung und kulturelle Nutzung der drei vorderen Häuser umzusetzen und konnte aus öffentlichen Förderprogrammen Mittel dafür einwerben. Die Gebäude wurden in diesem Zuge umfassend saniert und restauriert, so dass sich der Ort vom Verwaltungssitz und Gerichtsort zum kulturellen Mittelpunkt verwandeln konnte. Museum, Erlebniscafé, offene Ateliers, wechselnde Ausstellungen unterschiedlicher Kunstgattungen und ein kulturelles Veranstaltungsprogramm für die ganze Insel ziehen seitdem Kunstschaffende, kulturell Interessierte und erholungsuchende Menschen in großer Zahl an.

Verfasser: Michael Theilig

Urkunde des Adalbero

erschienen im „Jahrbuch für den Kreis Pinneberg“ 1980

Urkunde des Erzbischofs Hartwig mit Kopie der Schenkungsurkunde des Adalbero, ins Deutsche übersetzt und mit einer Zuordnung zu heutigen Ortsnamen: Urkunde des Adalbero

Die in der Urkunde erwähnten Orte in Holstein, Stormarn und Dithmarschen wurden vom Barmstedter Heimatforscher H. F. Bubbe folgendermaßen lokalisiert: Eppenthorp = Eppendorf, Reinlage = Rellingen, Barmetstede = Barmstedt, Milethorp = Meldorf, Wittingstede = Weddingstedt, Bivsne = Büsum, Uthaven bei Brunsbüttel, Herstide Süd bi Nordhastedt, Nienbole bei Glückstadt, Midlestorpe bei Herzhorn, Myrne = Marne, Versenflete bei Lunden, Volquardewort = Volkswurth, Berlette = Barlt, Quiderne = Kuden, Hane = Hanerau, Otteshude = Sude, Ennege = Innien, Bunzing = Bünzen, Bervelde = Bargfeld, Buzeberge(?), Quidenberge am Kudensee, Ethelingstede = Tellingstedt, Hotflete bei Stade, Ethelekeswisch= Eddelak.

Die Heiligen-Geist-Kirche

Das Barmstedter Wahrzeichen – die Schusterahle – in jahrelanger Arbeit renoviert

Pfingsten 2018 wird die Heiligen-Geist-Kirche im Zentrum der sogenannten Barmstedter Kircheninsel 300 Jahre alt. Sie ist eine der schönsten Barockkirchen des Kirchenkreises Rantzau-Münsterdorf, obwohl sie in der Zeit der gewalttätigsten Querelen zwischen den beiden Grafenbrüdern Wilhelm Adolf und Christian Detlef Rantzau entstanden ist. Im Zentrum der Grafschaft gelegen sollte sie das letzte Denkmal sein, das die Rantzauer Grafendynastie sich hier setzte.

Der Kirchenstandort selbst ist erheblich älter als die genannten 300 Jahre. Aus schriftlichen Quellen war seit Jahrhunderten bekannt, dass hier eine der ersten Kirchen im holsteinisch-stormanischen Bereich gelegen haben sollte. Ein archäologischer Nachweis konnte aber erst 1968 bei der letzten großen Renovierung erbracht werden. Unter dem Fußboden wurden damals die Grundmauern von zwei Vorgängerkirchen aus dem Mittelalter entdeckt, wodurch nachgewiesen werden konnte, dass die Überlieferungen von einem Kirchenstandort an dieser Stelle mindestens seit 1140 richtig sind. Das tatsächliche Alter der vorgefundenen Reste konnte aber auf Grund der damaligen Zeitknappheit im Rahmen der Fußbodensanierung nicht festgestellt werden. Interessant ist, dass neben den Grundmauern auch Gruften zum Vorschein kamen, die noch in den ersten Jahrzehnten dieser Heiligen-Geist-Kirche für Administratoren und einen Organisten eingebaut worden waren. Rund um die Kirche hatte bis etwa 1840 ein Kirchhof als Begräbnisstätte für das gesamte Kirchspiel bestanden.

Zur Vorbereitung des Jubiläums zum 300-jährigen Bestehen hat die Kirche eine Rundumerneuerung bekommen. Rechts im Bild sieht man sie ohne Kugel und Hahn, wie sie im April 2013, als der Turm gerade saniert wurde, ausgesehen hat. Es folgten in den beiden Jahren danach das Außenmauerwerk, das Dach und das Turminnere und von Mai bis Dezember 2016 folgte die Restaurierung des Innenraums. Die Sanierungsarbeiten unter der Regie von Architekt Jan-Peter Witte dienten einerseits der energetischen Verbesserung durch Isolierung des Daches und Teilerneuerung der Heizung. Unter den Bänken wurde dafür der Fliesenfußboden entfernt und durch Holzboden ersetzt. Außerdem wurden die Elektrik und die Beleuchtung erneuert. Die Bleifenster wurden instandgesetzt, der Altar gereinigt und in Teilen restauriert, ebenso die Wände und die Emporen. Zur Deckung der Kosten werden seit langer Zeit Spenden gesammelt, dennoch werden die 610.000 € vor allem durch Mittel der Kirchengemeinde und des Kirchenkreises aufgebracht.


Zeichnung vom Südwesten, Bernhard Theilig ca. 1980

Die Heiligen-Geist-Kirche in Barmstedt und ihre Geschichte

von Bernhard Theilig, erschienen im Jahrbuch für den Kreis Pinneberg 1980, S. 11 – 26

Die Heiligen-Geist-Kirche in Barmstedt wurde in den Jahren 1717/18 über den Fundamenten einer älteren Kirche durch den Hamburger Architekten Joh. Lorenz Nerger erbaut. Den Befehl zum Abreißen der alten St. Margarethenkirche und zum Bau einer neuen gab Wilhelm Adolf zu Rantzau, letzter Graf der Reichsgrafschaft Rantzau. Von der alten aus Feldsteinen erbauten Kirche blieben der Turm und die Westmauer erhalten. Der runde Turm wurde 1841/43 mit Ziegelsteinen ummauert. Sein heutiges Aussehen mit dem Portal erhielt er 1951/52, als der achteckige Sockel durch eine erneute Ummantelung verstärkt wurde.

Die romanische St. Margarethenkirche hatte ein hohes Alter, war baufällig und war vor allem für die große Gemeinde viel zu klein geworden. Sie hat mit ziemlicher Sicherheit schon 1140 bestanden, dem Jahre, in dem urkundlich das Kirchspiel Barmstedt zum ersten Mal genannt wird. Manche nehmen als Gründungsjahr 936 an, doch gibt es dafür keine Belege. Bei Grabungen 1968 konnten die Grundmauern der alten Kirche einwandfrei ermittelt werden. Es handelt sich um eine typische romanische Kirche mit Gemeindeteil, „Schiff“, und Altarraum, „Chor“, verbunden durch einen Chorbogen. Das Schiff maß 6,40 >< 13,70 Meter. Die Breite entsprach dem Zwischenraum zwischen der heutigen Nord- und Südempore, deren Pfosten auf den Grundmauern stehen. Der Chor maß 5,30x 8 Meter und reichte in der Länge vom heutigen Quergang bis zum Kanzelaufgang. Ursprünglich endete der Chor in einer halbrunden Apsis, die dann später durch eine gerade Ostmauer ersetzt worden ist. Der älteste Fußboden lag einen Meter tiefer als der heutige und war mit Kopfsteinen gepflastert. Die Mauern waren im Gipsgußverfahren errichtet. Von der alten Kirche wissen wir, daß sie nach einem Brande 1627 wieder aufgebaut wurde und daß sie 1682 die erste Orgel erhielt, die dann im Jahre des Abbruchs für 300 Mark verkauft wurde. Die kleine St. Margarethenkirche mit nur 130 qm Grundfläche (heute 420) war durch Jahrhunderte der Mittelpunkt einer großen Gemeinde. Zum Urkirchspiel Barmstedt gehörte bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts auch Elmshorn. Das spätere Kirchspiel Hörnerkirchen wurde erst 1752 von Barmstedt abgetrennt.

Der Bau der neuen Kirche fiel in das letzte Regierungsjahrzehnt der Grafen zu Rantzau. die ihr Schloß auf der Krückauinsel hatten. Der eigentlich regierende Graf, Christian Detlef, war abwesend. Er wurde 1715-1720 vom preußischen König in Haft gehalten. In dieser Zeit führte sein jüngerer Bruder Wilhelm Adolf die Regentschaft. Er ließ die Kirche bauen und über der Osttür in Initialen seinen Namen und den seiner Gemahlin anbringen, ebenso am Grafen- oder Patronatsstuhl neben seinem Wappen dasjenige seiner Frau. Dazwischen halten zwei aus Wolken ragende Hände einen Ehering. ln Überschriften über den Aufgängen zum Grafenstuhl innen: .“Angenehme Zeiten“. außen „FELICIORA VOTO“ -, verhieß er seinen Untertanen glücklichere Zeiten.

Die Inschriften über den Kirchentüren könnte man in folgender Weise übersetzen und in Zusammenhang bringen:

Südportal:
ANNO MDCCXVII CONDIT. – Im Jahre 1717 ist diese Kirche erbaut

Aufgang zum Grafenstuhl:
FELICIORA VOTO – mit dem Wunsche glücklichere (Zeiten herbeizuführen)

Osteingang:
R. G. D. W.A.C.R. et LD. in B.L.N. – von Gottes Gnaden regierend Wilhelm Adolf, Graf zu Rantzau und Löwenholm. Herr auf Breitenburg, Lindewitt, Neuendorf

C. C. D. CH.L.C- de S.W.H.W. el N. – mit seiner Gemahlin. Frau Charlotta Louisa. Gräfin von Sayn Wittgenstein. Homburg, Vallendar und Neumagen

Nordportal:
DEO POSTERIS SUBDITIS – (gewidmet) Gott, den späteren Geschlechtern und den Untertanen.

Die Dinge nahmen dann einen für die Rantzaus äußerst ungünstigen Verlauf.

Der ältere Graf kehrte zurück. Das Verhältnis zwischen den gräflichen Brüdern war sehr gespannt. Am 10.11.1721 wurde Christian Detlef im Voßlocher Wald auf der Jagd erschossen. Im Jahr darauf wurde Wilhelm Adolf unter dem Verdacht, den Mord an seinem Bruder angestiftet zu haben, verhaftet. Zwar konnte ihm dies nicht nachgewiesen werden, doch wurde er „wegen der obwaltenden Umstände“ zu lebenslanger Festungshaft verurteilt, in welcher er 1734 gestorben ist. Der dänische König nahm 1726 die Grafschaft Rantzau in Besitz und ließ sie durch Administratoren verwalten, die auf Schloss Rantzau residierten.

Die Heiligen-Geist-Kirche ist ein an Figuren und Bildern reicher Saalbau im Stile des Barock mit Tonnengewölbe und Oktogonalschluss nach Osten. Sie verkörpert den Typ der evangelischen Gemeindekirche, wie er im 18. Jahrhundert im Norden üblich wurde. Waren bis dahin Altarraum und Gemeindeteil streng getrennt, so wurde jetzt der Altar in die Gemeinde hineingestellt und die Kanzel so angebracht, daß der Prediger von überall her gut zu sehen und zu verstehen war. Alles dient der Verkündigung des Evangeliums und dem Lobe Gottes.
Der Altar soll in seiner Gestaltung den Altar zum Vorbild haben. den Quellinus 1696 für die Marienkirche in Lübeck schuf. Beherrschend steht in der Mitte das Bild des gekreuzigten Heilandes, darunter Maria und der Jünger Johannes; links und rechts davon die Apostel Petrus und Paulus. Über der Kreuzigungsgruppe befand sich ein Spruchband, das 1953 überrnalt wurde:

„Denn ich habe euch zuvörderst gegeben, welches ich auch empfangen habe. daß Christus gestorben sei für unsere Sünden nach der Schrift, und daß er begra ben sei, und daß er auferstanden sei am dritten Tage nach der Schrift. 1. Cor. I5, 3-4

ln der Lünette darüber ist als Hochrelief geschnitzt die Grablegung Jesu. Als Bekrönung über dem Ganzen steht auf einem Sarkophag der triumphierende Christus mit der Siegesfahne und erhobener Schwurhand. Rechts und links von ihm hocken zwei Knaben mit Palmzweigen und erhobenen Händen (Bezug: Matth. 21, 15-16). Etwas tiefer stehen zwei Engel mit Posaunen. Die Bibelstelle, auf welche diese ganze Gruppe Bezug nimmt, finden wir in Matth. 24, 30-31:

„. . . und werden sehen kommen des Menschen Sohn in den Wolken des Himmels mit großer Macht und Herrlichkeit. Und er wird senden seine Engel mit hellen Posaunen, und sie werden sammeln seine Auserwählten von den vier Winden…“

Die silbernen Altarleuchter von 1731 sind. ebenso wie die beiden Kronleuchter von 1732, eine Stiftung der Familie Kühl in Lutzhorn. Ein Otto Kühl war als Beamter des dänischen Königs in Odense zu Ansehen und Wohlstand gelangt.

Die Kanzel ruht auf der Gestalt Moses, der die Gesetzestafeln hält und dessen Antlitz im Goldglanz leuchtet (2.M. 34, 29). Darüber der predigende Christus mit den vier Evangelisten: Matthäus mit der Menschengestalt, Markus mit dem Löwen, Lukas mit dem Stier und Johannes mit dem Adler. Auf dem Schalldeckel der Kanzel halten fünf Putten die Marterwerkzeuge aus der Passionsgeschichte in den Händen: Kreuz, Leiter, Hammer, Bambusstab und die Säule, an die Jesus gebunden wurde. Es ist ein in der Barockzeit häufig dargestelltes Motiv (vgl. Bernini, Engelsbrücke in Rom). Über der Tür zum Kanzelaufgang erinnert ein Bild Martin Luthers und eine Inschrift daran, daß im Baujahr der Kirche die zweite .Jahrhundertfeier der Reformation festlich begangen wurde.

Die Taufe,jetzt vorn links im Altarraum, stand bis 1958 im Mittelgang, nahe der Westtür. Daran erinnert noch ein Baldachin mit einer Taube und Umschrift an der Unterseite der Orgelempore. Drei Knabengestalten tragen einen mit Engelsköpfen gezierten Wolkenkranz, in dem die große Taufschale aus Messing ruht.

Diese zeigt in der Mitte eine Darstellung der Verkündigung an Maria. Das Jagdmotiv auf dem Schalenrand ebenso wie der als achteckige Haube gestaltete Taufdeckel erinnert auffallend an den Hofbrunnen auf Schloß Breitenburg, dem Stammsitz der Rantzaus. Der Leuchter für die Osterkerze, der neben der Taufe steht, wurde 1978 von U. E. Bläse / Plön gefertigt.

Die Orgel ist ein besonders wertvolles Werk von außerordentlicher klanglicher Schönheit. Sie hat, auf Hauptwerk, Brustwerk, Rückpositiv und Pedal verteilt, 31 Register und 2196 Pfeifen. Der Prospekt, die Vorderansicht, ist nach Art der Arp-Schnitger-Orgeln gestaltet. Erbaut wurde sie 1719/20 – noch ohne Rückpositiv – wahrscheinlich von dem Schnitgerschüler Johann Hinrich Klapmeyer in Glückstadt, mit dem später ein Pflegevertrag abgeschlossen wurde. Diese ursprüngliche Orgel muß mit ihren 26 Registern in ihrer Disposition ein großartiges Werk gewesen sein und wunderbar geklungen haben. Man hatte beim Bau auch keine Kosten gescheut. Sie war verdungen gewesen zu 2100 Mark Lübsch, was in der damaligen Zeit dem Wert von zwei mittleren Bauernhöfen entsprach. Von den damals 2000 Pfeifen ist heute etwa noch die Hälfte vorhanden.

Im Jahre 1857 wurde durch die Firma Marcussen-Apenrade eine ,.Hauptreparatur“ der Orgel durchgeführt, die zwar manche technische Verbesserungen brachte, aber das klangliche Bild sehr ungünstig veränderte. So wurden fast 1000 der alten Pfeifen einfach entfernt, das Brustwerk ganz hinten an die Turmwand unter die Decke verlegt und neue Register eingebaut, die in einer Barockorgel wie Fremdkörper wirkten. Gleichzeitig wurde der ursprünglich helle Anstrich der Orgel abgeschliffen und das Holzwerk mit Mahagonifarbe angestrichen.

Im Jahre 1960 wurde die Orgel von der Firma Kemper-Lübeck gründlich überarbeitet nach einem Gutachten, das von dem Orgelsachverständigen der Landeskirche, Helmut Schröder, Kirchenmusikdirektor in Pinneberg, zusammen mit dem Organisten Heinz Aude erstellt worden war. Das Brustwerk wurde wieder nach vorne in den Prospekt verlegt und die ganze Orgel um einen Meter zurückversetzt, wodurch mehr Raum für den Kirchenchor geschaffen wurde. Im Interesse des klanglichen Gleichgewichts wurde an der Brüstung der Orgelempore ein Rückpositiv mit sechs Registern neu eingebaut. Durch den Kirchenmaler Hermann Wehrmann aus Glückstadt erhielt das Holzwerk wieder eine hellere und reichere Farbgebung, wie sie einer Barockorgel entspricht und sich harmonisch in das Gesamtbild des Kirchenraumes einfügt.

Die Bilder an den Emporen stellen Szenen aus dem Leben und den Reden Jesu nach den Evangelien dar. Sie sind so angeordnet, daß sie vorn links hinter der Kanzel mit der Verkündigung an Maria beginnen, rechts herum ihren Fortgang nehmen und schließlich bei der Nordtür mit der Himmelfahrt Christi enden. Als das Orgelrückpositiv in die Brüstung der Westempore eingebaut wurde, hat man die dort befindlichen Bilder an den beiden oberen Emporen angebracht. Unter den Bildern stehen die Namen derer. die dem Maler das Geld für das jeweilige Bild gegeben haben.Die Sinnsprüche zu den Bildern könnten als Verfasser den Pastor Esmarch in Herzhorn haben, der auch ein großes Festgedicht zur Einweihung der Kirche verfaßt hat.

Das Deckengewölbe, ursprünglich gipsverputzt, mußte schon 1754 erneuert werden. Den Auftrag, es mit Themen hauptsächlich aus dem Alten Testament auszumalen, erhielt der Elmshorner Hans Hinrich Morthorst, der später auch die Horster Kirche ausgemalt hat. Über der Orgel ist die Erschaffung des Lichts angedeutet. In der Südwestecke sieht man die Arche und das Dankopfer Noahs, 1. Mose 8,21. Noah selbst befand sich vermutlich an der Stelle des später gebrochenen Lichtschachtes. Links vom Regenbogen sieht man die Vertreibung der Kanaaniter, Sach. 14, 21, und anschließend Lots Auszug aus Sodom, Spruchband: Luk. 17, 32. An der Nordseite beginnt die Darstellung mit Abraham, der den Namen Gottes predigt (I. M. I2, 8), im Hintergrund Japhet und Sem (bei seinen Hütten), 1. M. 9, 27. An der Stelle des Lichtschachts war vielleicht Canaan. Es folgt die Opferung Isaaks, Spruchband: Hebr. ll, IT-19, ferner Mose mit den Gesetzestafeln, 5. M. 6,7 und Johannes der Täufer, Matth. 3,8 Gegenüber auf der Südseite ist das Gesicht Petri von den unreinen Tieren zu nennen, das den Übergang des Evangeliums in die Heidenwelt andeutet, Spruchband: Apg. 10, 7. Als Abschluß und Krönung des Ganzen ist über dem Altar das Lamm Gottes aus Offenbarung 7, 17 abgebildet. Mitten im Gewölbe erinnert ein schwebender Engel an die Vision des Sehers Offb. I4, 6: Und ich sah einen Engel fliegen mitten durch den Himmel, der hatte ein ewiges Evangelium. – Hans Hinrich Morthorst vollendete sein Werk am 10.1.1756.

Das Gestühl war ursprünglich durch Banktüren verschließbar. 1895 wurden durch den Tischlermeister Steckmeister die Bänke erneuert. Vom alten Gestühl wurden nur die geschnitzten Bankwangen wieder verwendet. 1968 wurden im lnteresse einer bequemeren Sitzweise die Banklehnen schräger gestellt, die Sitzflächen verbreitert, Heizkörper eingebaut und die Bänke erstmalig mit Farbe angestrichen. Außerdem wurde die Zahl der Bankreihen verringert, d. h. die Zwischenräume wurden vergrößert und hinten ein freier Raum ausgespart, der, falls erforderlich, mit Stühlen bestellt werden kann. Auf eine fest angebrachte Polsterung der Sitzflächen, wie auch auf Läufer in den Gängen, wurde verzichtet, um die sehr schöne Akustik des Kirchenraumes nicht zu beeinträchtigen. Die Kirche hat jetzt etwa 800 Sitzplätze. Bis 1924 hatte jede Familie ihre eigenen Kirchenplätze. Diese waren gekauft, und es wurde ein regelrechtes Stuhlregister geführt. Da dies bei zunehmender Freizügigkeit der modernen Menschen mehr und mehr als unerträglich empfunden wurde, hat man durch Kirchengesetz diese Eigentumsrechte aufgehoben.

lm Jahre 1968 wurden auch die Aufgänge zur Orgelempore geändert und eine Tür und ein großes Fenster in der Westwand zugemauert. Als der alte aus Zement und Ziegelsteinen bestehende Fußboden herausgenommen war, wurden nicht nur die Fundamente der alten Kirche freigelegt. Es wurden auch Grabplatten und intakte Grabkammern gefunden: Im Schnittpunkt der Hauptgänge die Grabkammer des Organisten F. Schlüter, 1755, unter dem Gestühlsblock bei der Kanzel die des Administrators G. W. von Söhlenthal, 1768, und im Mittelgang vor dem Altar die des Administrators J. O. Niemann, 1789. Eine Grabkammer in der Nähe des Patronatsstuhls war zugeschüttet. Napoleon erließ ein Gesetz, nach dem Beisetzungen in den Kirchen künftig verboten sein sollten. Bis 1844 diente der Platz um die Kirche als Friedhof. Gedenktafeln von den Gräbern der Pastoren Braun, 1764, Wedde, 1777, und Chemnitz, 1834, wurden an der Nordmauer der Kirche aufgestellt. Ein Sohn des Pastors Chemnitz war der Dichter des Schleswig-Holstein-Liedes, Matthäus Friedrich Chemnitz. – Die Kirche liegt in Ostwest-Richtung, wobei der Altar im Osten, der Turm im Westen steht.

Der Turm hat eine Höhe von 53,2 Metern. Wegen der spitzen schlanken Form des Turmhelms wird er im Volksmund gern die „Schusterahle“ genannt, wobei man sich daran erinnert, daß in früherer Zeit das Schusterhandwerk in Barmstedt eine beherrschende Rolle gespielt hat. Im Jahre 1864 wurden die Holzschindeln durch Schiefer ersetzt. Turmhahn und Kugel müssen von Zeit zu Zeit, bisher alle 25 Jahre, neu vergoldet werden, zuletzt geschah dies 1962. In der Kugel befinden sich Urkunden und Münzen aus der Zeit seit 1748. Die Turmuhr wurde 1959 erneuert und gleichzeitig eine elektrische Läuteanlage installiert. Von den beiden Glocken wurde die kleinere im Jahre 1741 von J. A. Bieber, Hamburg, gegossen. Sie ist aus Bronze, hat den Ton G und einen Durchmesser von 105 cm. Die große mit dem Ton E ist aus Stahl und wurde 1953 in Bochum gegossen. Ihre Vorgängerinnen aus Bronze mußten in den beiden Weltkriegen abgeliefert werden. Der Turmraum zu ebener Erde, der als Eingang zur Kirche dient, erhielt 1960 eine Holzverkleidung, Heizung und einen neuen Fußboden. Die erste Zentralheizung erhielt die Kirche im Jahre 1901, elektrische Beleuchtung 1916. Im Jahre 1953 wurde unter Anleitung des Leiters der Malerfachschule in Hamburg, Fritz Beyle, eine Innenausmalung der Kirche durch den Malermeister Ernst Stapelfeldt durchgeführt, die 1968 in einzelnen Teilen verändert oder ergänzt wurde.

Betrachtet man die Heiligen-Geist-Kirche als Baukörper, so ist sie ein ehrwürdiges Denkmal kulturellen Gestaltungswillens aus fast einem Jahrtausend. Der behäbige runde Turm, in seinem Mauerkern noch aus Feldsteinen und einst Zufluchtsort in Zeiten der Not und Gefahr, vergegenwärtigt die Stilepoche der Romanik. Der in die Höhe strebende schlanke Turmhelm trägt deutlich das Gepräge der Gotik. Geradezu elegant wirkt der mächtige Hallenbau der Kirche, der bei einem Minimum an Material ein Maximum an Raum umschließt und in ’seiner Innengestaltung etwas von der Gelöstheit und Festlichkeit des Barock verspüren läßt. Für alle Geschlechter aber war es das Gotteshaus, in dem der Mensch Trost und Weisung für Glauben und Leben empfing, in dem ihm gleichzeitig das Bewußtsein vermittelt wurde, Glied in einer großen, lebendigen Gemeinde zu sein.

Daten zur Geschichte der Kirche:

  • 1140 wird zum erstenmal das Kirchspiel Barmstedt erwähnt. Wann die alte romanische, aus Feldsteinen erbaute St. Margarethenkirche errichtet wurde, ist unbekannt. Vermutlich wurde die halbrunde Apsis in der Zeit des gotischen Baustils, nach 1200, durch eine gerade Ostmauer ersetzt.
  • 1627 fiel die Kirche einem Brande zum Opfer und wurde in der Folge nur notdürftig wieder aufgebaut.
  • 1682 erhielt sie eine Orgel.
  • 1717 wurde die Kirche bis auf die Fundamente abgerissen. Nur die Westmauer und der Turm blieben erhalten. Die neue Heiligen-Geist-Kirche wurde am Pfingstfest des Jahres 1718 eingeweiht.
  • 1719/20 wird die neue Orgel eingebaut.
  • 1731 Altarleuchter gestiftet
  • 1732 Kronleuchter gestiftet
  • 1741 Bronzeglocke umgegossen
  • 1754 wurde das Tonnengewölbe erneuert und bis 1756 von Hans Hinrich Morthorst ausgemalt.
  • 1755, 1760 und 1789 wurden die Grabkammern für Schlüter, Söhlenthal und Niemann eingebaut.
  • 1756 wird ein Kirchenstuhlregister für die etwa 1000 Sitzplätze der Kirche eingerichtet.
  • 1767 erhält der Turm Stützpfeiler an der Westseite.
  • 1842 wird der Turm mit Ziegelsteinen ummantelt.
  • 1864 werden die Holzschindeln des Turmhelms durch Schiefer ersetzt.
  • 1896 Erneuerung des Kirchengestühls.
  • 1902 Zentralheizung eingebaut.
  • 1914 Toilettenanbau
  • 1916 Elektrische Beleuchtung
  • 1917 Ablieferung der großen Glocke und der Zinnpfeifen.
  • 1925 neue Bronzeglocke eingeweiht, 1942 wieder abgeliefert
  • 1951/52 Turmsockel ummantelt und Kirchenportal erneuert.
  • 1953 Einweihung der neuen Stahlglocke.
  • 1954 Innenausmalung der Kirche. Heizungsanbau erweitert.
  • 1960 Große Orgelreparatur, Rückpositiv neu eingebaut.
  • 1968 Kirchenjubiläum. Renovierungsarbeiten. Grabungen. Neue Beheizung vom Gemeindehaus aus.
  • 1978 wurde die Höhe des Kirchturms neu vermessen. Ergebnis: Turmspitze 53,2 m, Höhe des Mauerwerks des Turms 18.1 m.

Grabungen in der Kirche 1968:

Von der alten St. Margarethenkirche, die 1717 abgerissen wurde, gibt es keine bildliche Darstellung. Zwar befindet sich auf der alten Karte von Daniel Freese (1588) die Zeichnung einer Kirche in Barmstedt, doch handeltes sich da eindeutig um das Schema einer Kirche, nicht um eine Abbildung der Wirklichkeit. Bekannt war von der St. Margarethenkirche nur, daß es sich bei ihr um eine aus Feldsteinen erbaute romanische Kirche handelte, von welcher der später mit Ziegelsteinen ummauerte Turm heute noch steht.

Im Jahre 1968 wurde im Zuge von Renovierungsarbeiten das Gestühl entfernt und der aus Beton, Ziegelsteinen und Sandsteinplatten bestehende Fußboden aufgenommen. Als man an der Westwand das Holzpaneel entfernte, zeigte sich, daß auch die Westwand noch zum Teil aus Feldsteinen bestand. Es war deutlich erkennbar, daß sie im Gipsgußverfahren errichtet war, d. h. man hatte innerhalb einer Bretterverschalung, Lage um Lage, die Feldsteine in Gipsmörtel eingebettet. Dort, wo die Feldsteinmauerung aufhörte, stießen unsere jugendlichen Helfer in ca. 30 cm Tiefe auf das Fundament der alten Südmauer, das eine Dicke von 90 cm aufwies. Es war verhältnismäßig einfach, durch Probelöcher den Verlauf der Südmauer zu ermitteln, und zwar bis zu der Stelle, wo wegen des Einbaus einer (später zugeschütteten) Grabkammer das ganze Mauerwerk zerstört war. Übrigens stehen die Pfosten der heutigen Emporen auf den Fundamenten der Süd. bzw. Nordmauer.

Als dann in der Fluchtlinie weitergesucht und. etwa 70 cm nach links eingerückt, die Chor-Südmauer festgestellt werden konnte, erschien es angebracht, das Landesamt für Denkmalspflege zu benachrichtigen. Am 4. Juli kamen die Herren Dr. Teuchert und Dr. Ellger und machten sich, unterstützt durch zwei vom Kirchenvorstand zur Verfügung gestellte Hilfskräfte, an die Arbeit. Während sie den Verlauf der Nordmauer ermittelten, ging der Berichterstatter den Komplex von Osten, d. h. vom Altar her, an und stieß auf ein auffallend breites Mauerwerk (130 cm), das in sich eine gerade Ostmauer und den Scheitelpunkt einer halbrunden Apsis vereinte. Die Ostmauer hatte sonst eine Dicke von 75 cm. Die Dicke der Apsismauer schwankte zwischen 75 und 90 cm. Der Apsisbogen, der innen eine Breite von etwa 3,70 m und eine Tiefe von 2,50 m gehabt haben mag, war in seinem nördlichen Teil völlig zerstört, wohl wegen des Einbaus der Grabkammern Niemann und Söhlenthal. Die südliche Hälfte des Apsisbogens aber war, zusammen mit einem Stück des mit Feldsteinen gepflasterten Fußbodens, sehr schön erhalten. Dieser lag etwa 90 cm unter dem heutigen Niveau. Wir haben es an dieser Stelle zweifellos mit dem ältesten Teil der Kirche zu tun. In der Nordostecke des Chores war, etwa 40 cm höher als der alte, noch ein Stück des späteren Fußbodens, ein Estrich aus Gipsbeton, vorhanden. Das besagt, daß nach dem Abreißen der Apsis und der Errichtung der neuen Ostmauer der Boden aufgeschüttet und um 40 cm erhöht worden ist. Genau das gleiche geschah dann im Jahre 1717, als die alte Kirche abgerissen und die Heiligen-Geist-Kirche gebaut wurde: man erhöhte das Fußbodenniveau wiederum um etwa einen halben Meter.

Als dann zu guter Letzt auch noch der Ansatz zum Chorbogen, der Kirchenschiff und Chor trennte, an der Nordmauer gefunden wurde, ließ sich der Grundriß der alten St. Margarethenkirche einwandfrei rekonstruieren. Das alte Gotteshaus besaß also ein Kirchenschiff, 13,70 m lang und 6,40 m breit, an das sich – ein wenig schief – ein Chorraum anfügte, 8 m lang und 5,30 m breit, der ursprünglich mit einer Apsis nach Osten abschloß. Eine Steinpflasterung außen vor der Südmauer könnte darauf hindeuten, daß in der Südwestecke des Chores der Eingang für die Geistlichen gewesen ist.

Da die Renovierungsarbeiten nicht weiter behindert werden sollten. Wurden nun die Grabungen eingestellt. Wenig später deckte ein lückenloser Fliesenfußboden die steinernen Zeugen der Vergangenheit, die Fundamente und Grabkammern, zu, und es ist fraglich, ob je ein menschliches Auge sie wieder zu Gesicht bekommen wird. Für den Geschichtsforscher sind die Grabungsergebnisse deshalb interessant, weil wir hier das einzige Beispiel einer romanischen Feldsteinkirche in so reiner Ausprägung im südwestlichen Holstein haben. Vergleichbare Bauten haben wir heute in den sog. Vizelinkirchen in Ostholstein, z. B. Neukirchen bei Malente und Ratekau, die Richard Haupt so beschreibt: „Ein hoher runder Turm im Westen, ein stattliches, im Innern 10 m breites Schiff.. und östlich der quadratische Chor mit halbrunder Apsis, beides gewölbt. Der Stoff roher Feldstein, aber alles in Gipsguß gebettet.“ (,.Die Bau- und Kunstdenkmäler der Provinz Schleswig-Holstein, 6. Band, Heide in Holstein 1925“, Seite 516.) Im Unterschied zur alten Barmstedter Kirche sind die Vizelinkirchen alle später und vor allem größer. Die Kleinheit der St. Margarethenkirche, an der in einem halben Jahrtausend kaum etwas geändert wurde, ist ein auffallendes Merkmal. zumal sie das Gotteshaus eines sehr großen Kirchspiels und zuletzt die Residenzkirche der Grafschaft Rantzau war.

Über die oben beschriebenen Ausgrabungen berichtet von kompetenter Seite Dr. Dietrich Ellger in: „Nordelbingen, Beiträge zur Kunst- und Kulturgeschichte. Band 38. Westholsteinische Verlagsanstalt Boyens & Co.. Heide in Holstein 1969“, Seite 206 f.

Nun noch einige Bemerkungen zu den Grabkammern. Im Kreuzungspunkt der Hauptgänge befand sich unter einer beschrifteten Grabplatte der Einstiegsschacht zur Gruft des Organisten Johann Schlüter (1755), zu der vom Westen eine .zugeschüttete Treppe führte. Die Grabkammer selbst, knapp mannshoch, hatte eine leicht gewölbte Decke und einen mit glasierten Fliesen belegten Fußboden. Die Gruft des Administrators Joh. Otto Niemann (1783-89) war kenntlich durch eine Grabplatte im Mittelgang vor dem Altar. Die bis dahin unbekannte Lage der Grabkammer des Administrators Georg Wilhelm Baron von Söhlenthal (1838-68) konnte durch einen zur Nordmauer führenden Luftschacht ermittelt werden. Hier ruhen in drei Särgen Söhlenthal und seine beiden Gemahlinnen. Eine vierte Grabkammer ist nach Erinnerung noch Lebender wohl 1953 zugeschüttet worden.

Wie es zum Neubau der Kirche in Barmstedt kam

Nach Auskunft der Gemeindechronik wurden im Jahre 1627 Pfarrhaus und Kirche „von dem Kayserlichen Kriegs Volck gantz und gar in die Aschen gelegt“. Über die damaligen Zustände schreibt der spätere Pastor Rode (1676-1711): „Zur selbigen Zeit war unser Kirchspiel, welches mehr denn 20 Dörfer hat, so gar ausgestorben und die Leute dergestalt zerstreut und verjaget worden. daß nach dem Kriege die gantze Gemeinde nicht über 20 bis 30 Leute starck gewesen“. Nach dem Abzug der Feinde im Juni 1629 kehrten allmählich die Menschen aus ihren Verstecken und Zufluchtsorten zurück und machten sich an den Wiederaufbau ihrer Heimstätten. Es dauerte aber noch viele Jahre, bis auch Kirche und Pfarrhaus notdürftig wiederhergerichtet werden konnten. Noch 1638 und später richteten die Barmstedter Bittschriften an ihre Landesherren, um Geldmittel für den Bau und die Besserung ihrer .,verdorbenen. ungestalten Kirche“ zu erhalten (siehe H. Dössel, Bd. I, Seite 87). immer neue Einquartierungen, Kriegskontributionen und schließlich Plünderungen im Schwedenkrieg 1643-45 ließen die Bevölkerung nicht zur Ruhe kommen.

Im zweiten Schwedenkrieg wurde im Jahre 1657 auch die Elmshorner Kirche zerstört. Zu ihrem Wiederaufbau schrieb der Graf Christian Rantzau im April 1660 eine Kollekte aus, und im Jahre darauf konnte sie, wenn auch nicht ganz vollendet, wieder eingeweiht werden. Graf Christian, durch den 1650 aus dem Amt Barmstedt die Grafschaft Rantzau geworden war, ließ in Elmshorn für bedürftige Bürger ein Präbendenstift errichten. Er war es auch, der das „Haus Barmstede“ auf der Krückauinsel, das bis dahin der Sitz der schauenburgischen Amtmänner gewesen war, zum „Schloß Rantzau“ um- und ausbauen ließ. Es scheint, daß diese Bauarbeiten in seinem Todesjahr 1663 abgeschlossen gewesen sind.

Sein Nachfolger, Graf Detlef, hat manches für die Förderung des kirchlichen Lebens getan. Er richtete 1668 in Barmstedt eine zweite Pfarrstelle ein und berief als ersten Propst der Grafschaft Rantzau den Lizentiaten Johannes Lassenius. 1669 ordnete er die Anlegung von Kirchenbüchern an. Graf Detlef machte sich ernsthafte Gedanken über den Neubau einer Kirche in Barmstedt. Davon zeugt der Entwurf eines Briefes an Lassenius, der inzwischen an die deutsche St. Petri-Kirche in Kopenhagen gegangen war. Der Graf bittet ihn, in der Kopenhagener Gemeinde eine Kollekte für den beabsichtigten Kirchenbau in Barmstedt durchzuführen. Einen weiteren Brief richtete er 1694 an seinen Inspektor auf Rantzau, der angefragt hatte, wie er einen den Untertanen zustehenden Fonds von 200 Reichstalern verteilen solle. Der Graf antwortete (nach H. Dössel, IV. Heft, 5,8): „Wir haben hochnötig ermessen, daß die Kirche zu Barmstette erweitert und zu der Kirchspiels=Leute Beste (damit sie nicht aus der Kirche, wie öfters geschiehet, bleiben dürfen) in besseren Stande gebracht werde, und dann diese den Kirchspiels Leuten nicht besser denn zu diesem Bau können employieret werden..“ Der Inspektor Bocatius erhält die Weisung, fernerhin auf Vermehrung dieses Fonds bedacht zu sein. Graf Detlef sollte diesen Bau nicht mehr durchführen. Er starb im September 1697 und hinterließ zwei Söhne und eine Tochter, Christian Detlef (geb. 1670), Wilhelm Adolf (geb. 1688) und Catharina Hedwig (geb.1683).

Christian Detlef, als regierender Graf zunächst ausgestattet mit allen Ämtern und Würden, die auch sein Vater hatte, Kaiserl. Geheimer Rat und Kammerherr, Königlich dänischer Vizestatthalter und Amtmann zu Rendsburg usw., verfeindete sich nach und nach mit allen und jedem:

Mit dem dänischen König, weil er von seinem Vater eingegangene Verträge nicht einhielt. Bei einem erregten Disput in Glückstadt hätte ihn der König Friedrich IV. um ein Haar mit seinem Degen getötet.
Mit seinen Untertanen, weil er mit großer Härte immer mehr Geld aus ihnen herauszupressen versuchte. Des öfteren wurden Mordanschläge gegen ihn verübt.
Mit seinem Bruder wegen Erbstreitigkeiten.
Mit dem Herzog von Gottorf, weil dieser die Grafschaft wieder in seinen Besitz zu bringen versuchte.
Schließlich wurde er, als er im Jahre 1715 in Berlin Hilfe gegen seine Widersacher suchte, vom preußischen König in Festungshaft genommen und fünf Jahre lang festgehalten. Daß er für einen Neubau der Kirche in Barmstedt, wie überhaupt für die Belange seiner Untertanen wenig Interesse zeigte, daran besteht kein Zweifel.

Anders stand es mit seinem jüngeren Bruder. Der damalige Neuendorfer Pastor Christian Grassau berichtet in seiner Chronik, daß Wilhelm Adolf, nachdem er 1715 das ihm zugesprochene Gut Neuendorf in Besitz genommen habe, er auf „inständiges Verlangen der dasigen Untertanen“ auch in die Grafschaft Rantzau gekommen sei und hier zunächst als Administrator, dann aber als regierender Graf aufgetreten sei. Am 31.10.1715 heiratete er ein Uetersener Klosterfräulein, die Comtesse Charlotte Louise von Wittgenstein. Er war es, der, nach einer Eintragung im Kirchenbuch, im Jahre 1717 den Befehl zum Abbruch der alten St. Margarethenkirche und zum Bau der neuen Kirche gab.

Die Nachrichten über die Begleitumstände des Kirchenbaues sind äußerst spärlich. Wir haben ein Kollektenbuch, „in welchem specificiret, was sowohl die Hochgräflich Rantzauischen Bedienten zu Drage und einige andere christliche Persohnen als auch die Eingepfarreten zu Breitenberg, Münsterdorff und Aspe zu Erbauung der Kirchen zu Barmstedt in der Reichsgrafschaft Rantzau in Anno 1717 verehret haben“. Es hat die Nummer 2 und weist als Ergebnis der Sammlung einen Betrag von 94 Reichstalern und 2 Schillingen aus (30. Sept. 1717).

Vorhanden ist ferner ein Kostenanschlag und Bauplan des Hamburger Baumeisters Johann Lorentz Nerger, der dann auch den Bau durchgefiihrt hat. Er veranschlagte die Kosten auf 16 300 Mark (nach anderer Quelle 6500 Reichstaler), (Nach H. Dössel, IV. Heft, 5.9).

Bedenkt man die spannungsgeladene Situation von damals – der rechtmäßige Graf konnte jeden Tag aus Berlin zurückkehren -, dann bekommt ein Festgedicht, das der Herzhorner Pastor Essmarch zur Einweihung der Heiligen-Geist-Kirche am Pfingstfest 1718 dichtete, eine besondere Note. Es ist mitgeteilt in der Zeitschrift für schl.-ho|st. Geschichte. Bd. 18, Kiel 1888, Seite 237.

„Du hochgebohrner Graf, Du Zier der Hohen Ahnen,
Ergetzung, Trost und Licht der treuen Untertanen, Ihr weiser Salomon, Du, deines Hauses Glantz, Dir flicht die Ewigkeit den grünen Lorber=Krantz, Der unverwelklich ist. Dein Ruhm, dein Ehre schwebet Beim Süd= und Norder=Pol, und blühet alle Zeit. Du bist und bleibest stets ein Sohn der Ewigkeit. Du sahest, wie es hier, in deinem Barmstedt ginge, Wie Deines Gottes Haus fast nur zusammenhinge. Es dräute den Ruin. Zudem wars viel zu klein, Es konnte kümmerlich das halbe Volk hinein. Dies alles sahest Du. Jedoch nicht ohne Schmertzen. Dich jammerte des Volks. Die Noht ging Dir zu Hertzen. Du dachtst auf Besserung und zeigetest dabey, Daß Dir Dein Unterthan ans Hertz gewachsen sey. Wie? sprachst Du, Sollen denn die zu dem Tempel gehen, Dem schönen Gottes=Dienst des Herren nicht zusehen? Die Helffte steht von fern. Die Hellfte geht hinein. Nein. Der Desordre muß bald abgeholffen seyn. Du sorgtest also fort für deines Gottes Ehre. Du sorgtest für sein Haus und für die reine Lehre. Du sorgtest für dein Volk und dessen Seeligkeit. Es trieb dich Gottes Geist, und machte Dich bereit Zu einem neuen Bau. Den sieht man jetzo stehen So, daß nichts köstlichers, nichts schöners ist zu sehen, So weit als Holstein gränzt. Es schaut ihn jedermann Zu deinem höchsten Ruhm, fast mit Verwundrung, an. Dein Barmstedt danket Dir, es fallt dir zu den Füßen. Es wünschet deiner Huld noch lange zu genießen. . _ …Es wird in aller Welt Dein Name hochgeschätzet. Denn Wilhelm Adolph steht den Sternen eingeätzet. Charlotta steht dabey. Das Haus von Witgenstein

Muß mit des Rantzau Ruhm allzeit verknüpfet seyn „

Gewiß, der Stil des Gedichtes wird von uns als unerträglich empfunden. Aber diese Ausdrucksweise war in der Zeit des Barockstils allgemein üblich, und gerade das Schicksal des so hoch Gepriesenen kann uns lehren, wie sich alles ins Gegenteil verkehren kann, wenn sich Dank und Lob allein auf einen Menschen und nicht auf Gott richten. Ganz sicher hätten die gräflichen Untertanen gerne den Grafen Wilhelm Adolf als ihren Landesherrn behalten. Aber was galt damals schon der Wille der Untertanen? Darauf konnte Wilhelm Adolf seine Stellung nicht bauen.

Als im Jahre 1720 Graf Christian Detlef zurückkehrte und seinen Bruder aus der Grafschaft vertrieb, nahmen die Dinge ihren makabren Verlauf. Christian Detlef wurde am 10.11.1721 im Voßlocher Wald erschossen. Wilhelm Adolf, nun regierender Graf , ließ nach den Mördern fahnden, wurde aber dann vom dänischen König der Anstiftung zum Morde besichtigt und zu lebenslanger Festungshaft verurteilt, in der er 1734 starb. Die Grafschaft Rantzau wurde daraufhin vom König in Besitz genommen.

So verging der Glanz eines Grafenhauses. Geblieben ist die HeiIigen-Geist-Kirche und die sich in ihr unter Gottes Wort versammelnde Gemeinde. Vielleicht betrachten wir im Wissen um all diese Zusammenhänge ein wenig nachdenklicher das „Soli Deo Gloria“ unter der Orgel, besonders aber den Patronatsstuhl mit den Wappen derer von Rantzau und derer von Wittgenstein und die Inschriften „Feliciora Volo“ (siehe S. 2) und „Angenehme Zeiten“. Der Mensch denkt, Gott lenkt.

Der Aufsatz im Original